Zuletzt 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Erbschaftsteuer für teilweise verfassungswidrig wegen der Regelungen zur Unternehmensbegünstigung erklärt (Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12). Die Begünstigung von Unternehmen wurde nicht dem Grunde nach, sondern in der Ausprägung teilweise für verfassungswidrig erklärt. Danach wurde insbesondere die Verschonung von Unternehmen verschärft und unter strengere Anforderungen gestellt.

Aktuell stehen zwei spannende Verfahren zur Entscheidung an, die wiederum die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuergesetzes berühren, das gleichermaßen auf Erbschaften wie auf Schenkungen Anwendung findet.

In einem Verfahren wird eine Erhöhung der Freibeträge angestrebt – was günstig für die Steuerpflichtigen wäre. In einem anderen Verfahren wird erneut die Betriebsvermögensverschonung angegriffen, die als ungerecht empfunden wird.

Normenkontrollverfahren auf Antrag Bayerns zur Höhe der Freibeträge (1 BvF 1/23)

Die Freibeträge in der Erbschaftsteuer sind seit 2008 unverändert. Sie liegen z. B. bei EUR 500.000 für Ehegatten und EUR 400.000 für Kinder. Dahingegen ist in diesem Zeitraum die Inflation massiv gestiegen. Aktienkurse und Immobilienpreise haben sich immens gesteigert. Seit 2023 gilt zudem für die Immobilienbewertung ein geändertes Bewertungsverfahren, das tendenziell zu höheren Immobilienwerten führt. Vor diesem Hintergrund hat die bayrische Landesregierung am 16.06.2023 ein Normenkotrollverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Freibeträge zu überprüfen.

Verfassungsbeschwerde zu Unternehmensbegünstigungen (1 BvR 804/22)

Die Beschwerdeführer behaupten, das ErbStG sei verfassungswidrig, weil Unternehmen als Erbschafts- oder Schenkungsgegenstand im Vergleich zum Privatvermögen übermäßig begünstigt werden. Die Regelungen zur Begünstigung von Unternehmen finden sich in den §§ 13a, 13b, 13c, 19, 19a und 28a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes 2016. Zu klären ist in dem Verfahren die Frage, ob dies Regelungen der Erwerber, für die keine Begünstigung greift, in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise benachteiligt werden. Dies betrifft etwa Erwerber von Geld, Immobilien oder eines Aktiendepots in entsprechender Höhe.

Wahlprogramme der Parteien

Die Wahlprogramme treffen Aussagen zur Erbschaftsteuer, die bereits eine Richtung der politischen Stimmung erahnen lassen. Die Erhöhung der Freibeträge findet sich in einigen Programmen wieder.

Die CDU/CSU fordert höhere Freibeträge bei der Erbschaftsteuer und will Kosten für energetische Sanierungen von der Erbschaftsteuer zum Abzug zulassen. Zahlen werden nicht genannt.

Die SPD will das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer erhöhen und kritisiert die Privilegierung großer Unternehmensvermögen. Dem soll mit einer Mindestbesteuerung für große Betriebsvermögen begegnet werden bei gleichzeitiger Erhöhung der Freibeträge. Zahlen werden nicht genannt.

Die AFD will die Erbschaftsteuer abschaffen.

Die Grünen wollen eine Reform der Erbschaftssteuer hin zu einem Modell mit personenbezogenem Lebensfreibetrag, weitgehender Streichung bestehender Ausnahmen für außerordentlich große Erbschaften und großzügigen Stundungsregelungen. Zahlen werden nicht genannt. Selbst bewohntes Eigentum soll befreit bleiben.

Die FDP will die Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer automatisch um die Inflationsrate erhöhen.

Die Linke will die Steuersätze für Erbschaften und Schenkungen für „Superreiche“ erhöhen und die persönlichen Freibeträge heruntersetzen auf einheitlich EUR 200.000 – auch für nicht Verwandte. Der Eingangssteuersatz soll bei 6 Prozent liegen und progressiv bis auf 60 Prozent ansteigen ab einem zu versteuernden Erbe von EUR 3 Millionen. Pro Erbschaft soll eine selbst genutzte Immobilie mit bis zu 200 Quadratmetern von der Erbschaftsteuer befreit sein Die Erbschaftsteuer soll über 20 Jahre gestundet werden können und auch in Form von öffentlichen Unternehmensanteilen getilgt werden können. „Schlupflöcher“ bei der Erbschaftsteuer sollen geschlossen werden. Vergünstigungen bei Unternehmensvermögen, großen Wohnungsbeständen und insbesondere der Verschonungsbedarfsprüfung sollen entfallen.

Das BSW macht keine Aussage zur Erbschaftsteuer, lässt aber erkennen, dass es nicht viel von einem Erwerb eines Vermögens durch Erbschaft hält.

Handlungsmöglichkeiten

Die im Beitrag genannten anhängigen Urteile vor dem Bundesverfassungsgericht waren bereits in der Übersicht der geplanten Entscheidungen für das Jahr 2024 enthalten, dennoch ist unklar, wann die Entscheidungen ergehen werden. Jedenfalls sollte vorsorglich mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2025 gerechnet werden. In Fachkreisen wird befürchtet, dass die Regelungen zur Begünstigung von Unternehmensvermögen im Zuge einer gesetzlichen Neuregelung wesentlich verschärft werden könnten, sofern das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz (insb. die Betriebsvermögensverschonung) erneut für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere die sog. Verschonungsbedarfsprüfung für Großvermögen (Unternehmensvermögen größer EUR 26 Millionen) ist dabei im Fokus der Diskussion.

Auch jenseits der erwarteten Urteile kann sich je nach Wahlausgang eine positive (Erhöhung der Freibeträge) oder eine negative (Streichung bzw. Verschärfung der Begünstigungen) Veränderung der Erbschaftsteuer ergeben. Bis zur Veröffentlichung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts und der Reaktion der Politik darauf bleibt jedenfalls noch Zeit, Vermögensübertragungen unter dem aktuellen Erbschaftsteuerregime vorzunehmen.

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