„If you think compliance is expensive, try non-compliance.“ Dieser vielzitierte Satz des ehemaligen US-Staatsanwalts Paul McNulty erfährt durch das kommende Verbandssanktionengsetz eine erneute Bestätigung. Nur diesmal in noch verschärfter Form.

Mit Kabinettsbeschluss vom 16. 06. 2020 hat die Bundesregierung einen Regierungsentwurf zum „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ auf den Weg gebracht. In diesem Rahmen wurde auch das sog. „Gesetz zur Sanktionierung von unternehmensbezogenen Straftaten“ (Verbandssanktionengesetz – VerSanG-E) verabschiedet. Hinter diesem sehr technischen Ausdruck steht eine für das deutsche Rechtssystem „monumentale Veränderung“, wie es die FAZ vom 21.08.2020 bezeichnete. Ziel ist die wirksame Bekämpfung der Unternehmenskriminalität in Deutschland, aber auch die Annäherung an internationale Standards.

Neue Regelungen erhöhen die Anforderungen an Unternehmen

Adressat, d.h. Verpflichtete, sind gem. § 1 VerSanG-E alle „Verbände, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.“ Damit unterfallen Unternehmen unabhängig ihrer Größe oder ihres Umsatzes unter diese Definition. Auch wenn dies als „uferlos“ seitens verschiedener Berufsverbände im Rahmen Ihrer Stellungnahmen zu dem Gesetzesvorhaben kritisiert wurde – die Bundesregierung hat sich dazu entschlossen, den Begriff in diesem umfassenden Maße bestehen zu lassen.

Demnach soll es sich um eine Verbandstat gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E handeln, wenn durch eine Straftat den Verband treffende Pflichten verletzt worden sind, der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Also sind nicht nur Vermögens- oder Steuerdelikte im Fokus – auch Straftaten gegen den Wettbewerb, Umweltdelikte, mögliche Verstöße gegen den Arbeitsschutz kommen in Betracht. Eine kaum abschließbare Liste an möglichen sanktionsbewehrten Gesetzesverstößen ist denkbar.

Ebenso eine grundlegende Änderung erfährt die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Ermittlung. Während aktuell diese den Vorgaben des Ordnungswidrigkeitenrechts folgt, und die Behörde selbst beurteilen darf, ob Ermittlungen verdachtsangemessen sind („Opportunitätsprinzip“), wird zukünftig eine Ermittlungspflicht („Legalitätsprinzip“) bestehen. Insofern kann auch bei denkbar geringen Unrechtsverdacht eine vollständige „Maschinerie“ der Behörde in Gang gesetzt werden.

Wie bereits in anderen Bereichen erlebt – man denke an die Einführung der DSGVO – kommt hinzu, dass es im Vergleich zu den bisherigen Vorschriften mit dem Sanktionsrahmen aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz zu erheblichen Änderungen der Sanktionsvorschriften. Vorgesehen ist ein Sanktionsrahmen von bis zu 10 % des durchschnittlichen jährlichen (Konzern -) Umsatzes. Angelehnt an das Kartellrecht bejaht der Entwurf auch die wirtschaftliche Einheit für alle (Tochter-)Unternehmen, die in einem Konzernverbund unter einheitlicher Leitung stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. 02. 2013 – KRB 20/12).

Compliance-Maßnahmen bekommen (noch) größere Bedeutung

Ausdrücklich betonen sowohl Gesetzestext – u.a. gem. § 15 Abs. 3 Nr. 7 E-VerSanG – als auch -begründung die sanktionsmildernde Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen. Ein solche Erfassung und Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen für die konkrete Sanktionierung des Einzelfalls wird für jedes einzelne Unternehmen eine besondere Herausforderung darstellen.

Wenn Compliance-Maßnahmen entsprechend geeignet erscheinen, dann kann gem. § 41 Abs. 1 E-VerSanG von einer Verfolgung abgesehen werden. Ein funktionierendes Compliance-System kann nach Gesetzesbegründung sogar als ein besonderer Umstand gewertet werden, der die Verhängung von möglicherweise drakonischen Geldsanktionen entbehrlich macht. Sollte es dennoch zu einer Verhängung einer Verbandssanktion kommen, sind der Bestand und die Funktionalität eines Compliance-Systems sowie dessen Implementierung sanktionsmildernd zu berücksichtigen.

Unternehmen müssen handeln – die Zeit drängt

Die Einführung des Verbandssanktionengesetzes führt zu einer de-facto Verpflichtung der Unternehmensführung, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Sollten bereits entsprechende Vorgaben im Unternehmen implementiert sein, sind diese auf ihre Aktualität im Licht der neuen Anforderungen zu prüfen.

Die Zeit drängt.

Das Gesetz wird aktuell im September in den Bundestag eingebracht. Mit einer Veröffentlichung wird bis Ende des Jahres gerechnet. Anschließend wird es eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren geben. Wie nicht zuletzt die Einführung der Vorgaben der DSGVO gezeigt hat, sind zwei Jahre nicht nur schnell vorbei – auch das Umsetzungsprogramm ist nicht zu unterschätzen. Sollten auch bereits Compliance-Strukturen vorhanden sein, sind diese auf ihre bestehende Funktionalität, Aktualität und Angemessenheit zu prüfen. Dies muss umfassende Analysen beruhen, um risikoorientierte interne Vorgaben, Dokumentationspflichten und Schulungen zu erarbeiten. Der Aufbau bzw. die Überprüfung eines Compliance-Management-Systems sollte nicht aufgeschoben werden, zumal Unternehmen von Anfang an von seiner Einrichtung in vielfältiger Weise profitieren – nicht nur hinsichtlich wirtschaftlicher sondern auch werteorientierte Unternehmensziele.

Dabei sollte Compliance auch als Chance betrachtet werden – ein effizientes Compliance-Management-System wird auf Dauer von großem wirtschaftlichen Nutzen für die Anteilseigener und Unternehmen sein. Compliance schützt das Unternehmen, es steigert die Reputation und verhindert entsprechende Schäden. Compliance hilft bei der Etablierung effizienter und rechtssicherer Organisationstrukturen und Unternehmensprozesse.

Ihr TAXGATE Team steht Ihnen sowohl bei Überprüfung vorhandener Maßnahmen bis hin zur vollständigen Implementierung von Compliance-Systemen gerne beratend zur Seite und kann auf die jahrelange Erfahrung ausgewiesener Experten zurückgreifen.