Am 14.10.2015 hat der Bundesfinanzhof (Az. I R 20/15) das Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es die Regelungen zur Zinsschranke nach § 4h EStG 2002 und § 8a KStG 2002 gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz) verstößt. Der Bundesfinanzhof (BFH) sah durch die Regelungen zur Zinsschranke ausgelöste Abzugsverbot für Zinsaufwendungen einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Leistungsfähigkeitsprinzip nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit.
Wer einen Überblick über die Zinsschranke sucht, findet diesen im TXGT-Blog v. 20.11.2024.
Behauptung böser Zungen
Der umfassend begründete Vorlagebeschluss des BFH hilft unseres Erachtens sehr bei der rechtlichen und wirtschaftlichen Beurteilung der Zinsschanke und deckt sich mit unserer praktischen Erfahrung und dem damit zusammenhängenden steuerlichen Dilemma: Zinsen fließen zu 100% ab („Liquidität enzogen“, Rz. 20) und sind keine buchhalterischen Größen und zusätzlich werden massive Steuern von rund 30% (Kapitalgesellschaft) bzw. 45% (Personengesellschaft) gezahlt werden. Böse Zungen fragen sich deshalb, ob das Bundesverfassungsgericht über 10 Jahre braucht, um sachliche Gründe gegen den Vorlagebeschluss des BFH zu finden.
Das Problem mit der Zinsschranke
Die Probleme der Zinsschranke sind vielfältig. Sie wurden zusätzlich durch eine Reform 2024 verschärft. Nicht zuletzt sorgt die völlig praxisfremde und höchste umstrittene Verwaltungsauffassung gemäß BMF Schreiben v. 24.03.2025 für hohe Unsicherheit. Besonders hervorzuheben ist die Verwaltungsauffassung zur Regelung über die schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei rückgriffsberechtigtem Dritten (§ 8a Abs. 3 KStG).
Dass ein Hauptzweck des Gesetzgebers bei Einführung der Zinsschranke die „Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen“ (BT-Drs. 16/4841, S. 35) war, zeigt die aus der Zeit gefallene Stoßrichtung der damaligen Überlegungen zur Vorschrift. Darüber hinaus hat der BFH bereits vor 13 Jahren festgestellt, dass gerade nicht missbräuchliche Fälle von der Vorschrift erfasst werden.
Kritik zur Regelung über die schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei rückgriffsberechtigtem Dritten
- Gesetzliche Grundlagen
Die Zinsschranke wird durch drei Ausnahmen begrenzt (vgl. § 4h Abs. 2 EStG): die Freigrenze (Nettozinsaufwendungen des Betriebs betragen weniger als 3 Mio Euro), die Befreiung nicht konzernzugehörigerer Betriebe und die Möglichkeit des Eigenkapitalvergleichs für konzernzugehörige Betriebe (sog. Escape-Klausel).
Die Escape-Klausel greift allerdings nur dann, wenn keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung im Sinne des § 8a Abs. 3 KStG vorliegt. Eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung liegt immer dann vor, wenn mehr als 10 % des negativen Zinssaldos einer Gesellschaft an einen zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, an eine diesem nahestehende Person oder an einen rückgriffsberechtigten Dritten geleistet wird.
- Systematische Stellung und Zielrichtung
Die Rückausnahme des § 8a Abs. 3 KStG erweitert den Anwendungsbereich der Zinsschranke auf Fälle, in denen ein Dritter der Körperschaft Fremdkapital überlässt, aber auf den wesentlich beteiligten Anteilseigner oder eine ihm nahestehende Person zurückgreifen kann.
Ziel dieser Erweiterung ist es, Umgehungsgestaltungen zu verhindern, insbesondere sogenannte back-to-back-Finanzierungen, bei denen der Gesellschafter über einen Dritten wirtschaftlich Eigenmittel zuführt, um die Beschränkung des Zinsabzugs zu umgehen.
Während dieser Normzweck grundsätzlich legitim ist, wird die gesetzliche Ausgestaltung in Literatur und Rechtsprechung einhellig als überschießend, unbestimmt und verfassungsrechtlich bedenklich kritisiert.
- Weite und unpräzise Auslegung des Rückgriffsbegriffs
Nach Ansicht des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung ist der Begriff des Rückgriffs in § 8a Abs. 3 KStG sehr weit zu verstehen. Es muss also kein rechtlich durchsetzbarer Anspruch bestehen – etwa aus einer Bürgschaft, Garantie oder Sicherheit –, um eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung anzunehmen.
Es genügt schon, wenn der Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person faktisch für die Schulden der Gesellschaft einsteht. Damit können sowohl rechtliche Sicherheiten (wie Patronatserklärungen, Grundschulden, Sicherungseigentum) als auch bloße wirtschaftliche Abhängigkeiten den Tatbestand erfüllen. So begründet auch die Verpfändung der Anteile an der fremdfinanzierten Gesellschaft nach Ansicht der Finanzverwaltung einen Rückgriff.
Diese weite Fassung führt dazu, dass der gesetzliche Tatbestand nahezu schrankenlos anwendbar ist und faktisch auf bloße Bonitätssicherungen ausgedehnt wird. Ein Ergebnis, das der gesetzgeberischen Zielsetzung widerspricht.
- Unangemessenheit der Vorschrift
Die praktische Tragweite der Vorschrift wird besonders im Mittelstand deutlich:
Banken verlangen Sicherheiten für Kreditvergaben. Die Folge ist, dass bereits normale Fremdfinanzierungen, die kein missbräuchliches Verhalten aufweisen, als „schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierungen“ qualifiziert werden können. Besonders problematisch ist, dass die weite Auslegung vor allem Unternehmen trifft, die finanziell schwach sind oder sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Diese Betriebe sind häufig darauf angewiesen, dass ihre Gesellschafter Sicherheiten stellen, um Kredite zu erhalten.
Die Vorschrift führt somit zu einer unverhältnismäßigen Belastung gerade jener Unternehmen, die auf solche Finanzierungen angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund äußerte der BFH bereits im Beschluss vom 13.03.2012 (I B 111/11) erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel, da die Vorschrift in großem Umfang nicht missbräuchliche Fälle erfasse und damit den Typisierungsrahmen überschreite.
Unser Appel – auch an den Gesetzgeber
Wir beobachten seit Corona und der steigenden Zinsbelastung nach Ende der Nullzinsphase einen schleichenden – und unumkehrbaren – Niedergang der deutschen Industrielandschaft. Hohe Zinsen drücken die Ertragsfähigkeit des Mittelstandes.
Die Regelung des rückgriffsberechtigten Dritten in § 8a Abs. 3 KStG ist ein Beispiel für übertypisierte Missbrauchsverhinderung ohne hinreichende Zielgenauigkeit, gar überschießender Wirkung. Sie verletzt sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch das Gebot der Normklarheit und benachteiligt insbesondere mittelständische Unternehmen.
Es ist daher eine wirtschaftlich auf der Hand liegende Ansicht, dass Zinsen für betrieblich notwendige Investitionen und sonstige Ausgaben ohne Ausnahme zum Abzug zuzulassen. Selbstverständlich kann der Gesetzgeber im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG vorsehen, offensichtlich fremdfinanzierte Lustausgaben zu sanktionieren, die nicht mit dem Geschäftszweck des Unternehmens wirtschaftlich zusammenhängen.
Ihr TAXGATE Team steht Ihnen für eine proaktive Beratung zur Vermeidung dieser nachteiligen Effekte und für weitere Auskünfte gerne zur Verfügung. StB Ilkan Dadusut und StB Dr. Tobias Stiegler unterstützen mittelständige Unternehmen und internationale aufgestellte Familienunternehmen bei Erfüllung ihrer komplexen Mitwirkungs- und Steuererklärungspflichten.