Die deutsche ertragsteuerliche Organschaft als eine besondere Form der Gruppenbesteuerung zur steuerlichen Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten verschiedener Gesellschaften ist insbesondere wegen des dafür erforderlichen Gewinnabführungsvertrags in beständiger Gefahr, von EU- und DBA-Recht in die Zange genommen zu werden. Allzu schnell stellt sich ein Verstoß gegen die EU-rechtliche Niederlassungsfreiheit oder gegen ein DBA-Diskriminierungsverbot ein. Eine strategische Vorsorge der Finanzverwaltung zur Absicherung des Ausschlusses einer grenzüberschreitenden Organschaft in etwas anderem Zusammenhang wurde in der Fachliteratur zur Organschaft bisher gänzlich übersehen. Worum geht es?

In der Folge des EuGH-Urteils v. 12.06.2014 (Rs. C-40/13 „SCA Group Holding BV“), wonach eine Gruppenbesteuerung in den Niederlanden zwischen den Tochtergesellschaften einer gemeinsamen EU-/EWR-Muttergesellschaft wegen der Niederlassungsfreiheit geboten ist, haben die Niederlande, Frankreich, und Spanien für vergleichbare Konstellationen sehr schnell eine nationale Gruppenbesteuerung zugelassen (Handelsblatt Steuerboard vom 23.02.2015). Die deutsche Finanzverwaltung duckt sich weg. Die vergleichbare Lösung einer horizontalen Organschaft mit einer rein nationalen steuerlichen Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten wäre gleichwohl nach meiner Rechtsansicht in Deutschland durch teleologische Extension des Tatbestandmerkmals der mittelbaren finanziellen Eingliederung möglich. Ein Gewinnabführungsvertrag könnte zivilrechtlich problemlos auch zwischen Schwestergesellschaften abgeschlossen werden (Handelsblatt Steuerboard vom 14.07.2014). Zustimmende Äußerungen der Fachliteratur (einschließlich zweier Standardkommentare) werden häufiger, gleichwohl handelt es sich noch um die Mindermeinung. Die Umsetzung würde gestalterischen Mut und Langmut der Unternehmen erfordern, da ein Rechtsstreit bis zum EuGH gehen dürfte.

Da überrascht die Erkenntnis aus der Masterarbeit von Philipp Macke an der DHBW Stuttgart (Ertagsteuerliche Organschaft im grenzüberschreitenden Unternehmensverbund, Hamburg 2016), dass die Finanzverwaltung nach dem zur gewerbesteuerlichen Organschaft ergangenen o.g. Urteil des BFH Vorsorge betrieb, indem sie in Protokollen zu DBA Klauseln aufnahm, die es zulassen, dass eine Einkommensbesteuerung auf konsoldierter Basis („Organschaft“) auf in diesem Vertragsstaat ansässige Personen beschränkt wird, wodurch es im Ergebnis ohne Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auch sanktioniert wird, dass eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften ohne inländische Betriebsstätte eines ausländischen Organträgers – wie de lege lata in Deutschland – ausgeschlossen ist. Solche Protokollregelungen gibt es bereits zu den DBA Luxemburg, Liechtenstein, Niederlande, USA und Norwegen.

Auch wenn Anlass für die Regelungen der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts bei der Gewerbesteuer war, sollten diese auch für die Körperschaftsteuer anwendbar sein und dürften im Verhältnis zu den genannten Staaten auch den Ausschluss einer horizontalen Organschaft ohne inländische Betriebsstätte der ausländischen Muttergesellschaft absichern, obwohl bei einer rein nationalen Querkonsolidierung das inländische Steuersubstrat nicht beeinträchtigt würde.

Dies zeigt, wie groß die Sorge des BMF ist, dass das bestehende ertragsteuerliche Organschaftssystem nicht EU-Recht-tauglich ist. Allerdings kann man die Protokollregelungen auch dahingehend verstehen, dass sie die Möglichkeit einer horizontalen Organschaft für deutsche Tochtergesellschaften aus denjenigen EU-/EWR-Staaten mittelbar gerade bestätigen, die (noch?) nicht von einer DBA-Protokollregelung erfasst sind.

Dr. Wolfgang Walter ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Steuerkanzlei TAXGATE und kommentiert die Organschaftsvorschriften in dem KStG-Kommentar aus dem Stollfuß-Verlag.

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