Abfassung der Anlagebedingungen nach deutschen steuerlichen Vorgaben als Voraussetzung für die Anwendungen von Teilfreistellungen auf Ebene des deutschen Anlegers
Zentrales Element der neuen Fondsbesteuerung ist die typisierende Abmilderung der Doppelbesteuerung (Fondsebene und Anlegerebene) durch Gewährung von sog. Teilfreistellungen auf Anlegerebene. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Fonds die deutschen steuerlichen Voraussetzungen einer Qualifikation als Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds erfüllt.
Hierfür müssen insbesondere die Anlagebedingungen des Fonds entsprechend abgefasst werden. Anlagegrenzen für „Kapitalbeteiligungen“ und „Immobilien“, jeweils definiert nach Verständnis des deutschen Steuerrechts, müssen beachtet werden.
Insbesondere ausländische Fonds, bei denen deutsche Anleger vielfach nur eine untergeordnete Rolle spielen, nehmen die erforderlichen Anpassungen der Fondsdokumentation an deutsches Steuerrecht häufig nicht vor. Dies hat zur Folge, dass auf Ebene des deutschen Anlegers die Teilfreistellungen nicht zur Anwendung kommen, was zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung dieser Fondsanlagen führt, wenn die entsprechenden Fonds nach ihrer Anlagetätigkeit tatsächlich die Voraussetzungen eines teilfreistellungsprivilegierten Aktien- oder Immobilienfonds erfüllen würden.
Nachweis der Fondsqualifikation im Rahmen der Steuererklärung des Anlegers
Dies hat der Gesetzgeber erkannt und daher – auch aus europarechtlichen Gründen – für den Anleger die Möglichkeit des individuellen Nachweises der Teilfreistellungsvoraussetzungen auf Antrag im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung vorgesehen. Hierzu hat der Anleger die tatsächliche durchgehende Überschreitung der Anlagegrenzen nachzuweisen (§ 20 Abs. 4 InvStG). Das Antragswahlrecht kann vom Anleger veranlagungszeitraumbezogen ausgeübt werden. Der Anleger ist weder verpflichtet dieses Wahlrecht auszuüben (vgl. auch Mann, in: Weitmauer ua., KAGB, § 22 InvStG, Rz. 5) noch besteht eine Pflicht, einen einmal erbrachten Nachweis auch im folgenden Jahr entsprechend zu erbringen.
Vielmehr hat der Gesetzgeber den Fall des nichtgestellten Antrags im Folgejahr explizit in § 22 Abs. 1 S. 2 InvStG vorgesehen. Da sich hierdurch der Teilfreistellungssatz ändert, wird im Wege einer fiktiven Veräußerung (und Neuanschaffung) des Fondsanteils die sachgerechte Erfassung der stillen Reserven/stillen Lasten in den Fondsanteilen mit dem jeweiligen Teilfreistellungssatz vor und nach Änderung der Fondsqualifikation sichergestellt (vgl. im einzelnen Elser, in Beckmann/Scholtz/Vollmer: Investment-Handbuch, 415 § 22).
Nicht erbrachter Nachweis im Folgejahr als Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO?
Unbeschadet der dargestellten eindeutigen gesetzlichen Regelungen will die deutsche Finanzverwaltung in einer etwaigen Nichtstellung eines Antrags nach § 20 Abs. 4 InvStG einen Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO erkennen und auf dieser Grundlage die Veräußerungsfiktion, d.h. weiterhin den bisherigen Teilfreistellungssatz anwenden, wenn (i) keine wesentlichen Änderungen des Anlageverhaltens des Investmentfonds ersichtlich sind, (ii) dem Anleger weiterhin ein Nachweis gem. § 20 Abs. 4 InvStG mit gleichem oder geringfügig höheren Aufwand möglich wäre und (iii) die äußeren Umstände dafür sprechen, dass der Anleger den Nachweis unterlässt, um aus dem Wechsel des Teilfreistellungssatzes einen Vorteil zu erzielen (vgl. InvSt-Erlass-Entwurf, Stand Juni 2018, Rz 22.7).
Offensichtlich hat die Finanzverwaltung die Sorge, dass Fondsanleger in Verlustsituationen bewusst das Antragswahlrecht nicht ausüben damit eine realisierte Wertminderung vollumfänglich, d.h. ohne Kürzung in Höhe der Teilfreistellung, steuermindernd berücksichtigt werden kann. Dieses Anliegen mag verständlich sein, wenngleich jedes steuerliche Wahlrecht mit der Konsequenz verbunden ist, dass es der Steuerpflichtige mit dem Ziel ausübt, seine Steuerbelastung zu optimieren. Wenn die Finanzverwaltung dies stört, so muss sie auf den Gesetzgeber einwirken, dass dieser das Wahlrecht abschafft oder an Voraussetzungen knüpft. Im Verwaltungswege ein Wahlrecht dadurch abzuschaffen, dass man die Ausübung oder Nichtausübung eines Wahlrechtes als „steuerlicher Gestaltungsmissbrauch iSd. § 42 AO“ klassifiziert geht jedoch in die völlig falsche Richtung.
Gem. § 42 Abs. 2 AO liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn (i) eine unangemessene rechtlich Gestaltung im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung (ii) zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Eine Wahlrechtsausübung im Rahmen der Steuerdeklaration ist keine rechtliche Gestaltung, schon gar keine unangemessene. Überdies kann die Ausübung eines vom Gesetzgeber eingeführten steuerlichen Wahlrechts niemals zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen.
Im Ergebnis kann eine eindeutige Rechtslage, selbst wenn sie aus Sicht der Finanzverwaltung unerwünschte Effekte haben mag, nicht im Verwaltungswege durch Anordnung eines Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO beseitigt werden. Die Finanzverwaltung sollte vor Verabschiedung des InvSt-Erlasses ihre diesbezügliche Rechtsauffassung überdenken.
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Dr. Thomas Elser ist Steuerberater und Partner bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Kanzlei TAXGATE.