Seit Dezember 2019 breitet sich das neuartige Coronavirus weltweit aus und führt zunehmend zu Quarantänesituationen für Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden. Die Folge sind Ausgangsbeschränkungen, Grenzschließungen, Produktionseinstellungen, Schließungen im Einzelhandel, Entlassungen, Kurzarbeit, logistische Stagnation und Einfuhrbeschränkungen. Die Epidemie hat spätestens seit März 2020 erhebliche Auswirkungen auf die Lieferketten multinationaler Konzerne. Optimistisch gedacht werden die damit verbundenen Auswirkungen zwar allmählich abnehmen, wann dies der Fall sein wird ist derzeit unklar und regional sehr unterschiedlich.

Absehbar ist bereits, dass sich die Coronakrise massiv auf die Finanzergebnisse auswirken und die Liquidität multinationaler Konzerne einschließlich aller Tochtergesellschaften sehr schnell erheblich belasten wird. Unternehmen müssen deshalb möglichst schnell notwendige und geeignete Vorkehrungen treffen und die Transaktionen mit verbundenen Unternehmen analysieren und ggf. neu justieren um weiterhin handlungsfähig zu bleiben.

Akuten Handlungsbedarf mit Bezug zu Verrechnungspreisen sehen wir derzeit vor allem in den Bereichen

  • Konzernfinanzierung und Liquiditätsmanagement,
  • Aussteuerung außergewöhnlicher Ergebnis- und Verlustsituationen,
  • Aussetzung einzelner Transaktionen,
  • kurzfristige Restrukturierungen von Geschäftsmodellen und
  • Personalrückholungen und -entsendungen.

A. Liquidität sicherstellen

Teilweise sehr kurzfristig treten mangels Erreichung der geplanten Umsatzziele Liquiditätsschwierigkeiten auf. Fixkosten und variable Kosten sind nicht immer sofort reduzierbar.

Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, empfehlen wir die weitere Finanzplanung in verschiedenen Szenarien zu erstellen und ein genaues Verständnis der Marktschwankungen sowie Änderungen des Angebots zu gewinnen, den Liquiditätsbedarf der Tochterunternehmen dynamisch zu bewerten und finanzielle Unterstützungen rechtzeitig mit Hilfe folgender Maßnahmen bereitzustellen:

    • Konzernfinanzierung

Eine konzerninterne Finanzierung ist die direkteste Form einer finanziellen Unterstützung. Dabei sind jedoch nicht nur Themen wie Höhe der Zinssätze, Steuerbelastungen und quotale Abzugsbeschränkungen zu berücksichtigen, sondern zB. auch eine geringe Kapitalausstattung bei konzerninternen Finanzierungen. Vom Unternehmen tatsächlich an seine verbundenen Einheiten gezahlte Zinsen, die die festgelegten EK/FK Quoten (China 5:1 für Finanzunternehmen und 2:1 für andere Unternehmen) überschreiten, dürfen für den laufenden Zeitraum oder in den folgenden Jahren nicht abgezogen werden, es sei denn, das Unternehmen kann Informationen bereitstellen und belegen, dass eine solche Transaktion dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Zu beachten ist, dass an verbundene Unternehmen gezahlte Garantievergütungen für Darlehen, die von Drittfinanzinstituten geliehen wurden, ebenfalls der oben genannten Beschränkung der Eigenkapitalquote unterliegen können, wenn für die Darlehen von verbundenen Unternehmen Garantien geleistet werden.

    • Maßnahmen zum Verlustausgleich

Ein Verlustausgleich ist eine weitere Option zur Stützung der Liquidität eines Tochterunternehmens. Die richtige Vorgehensweise für diesen Ausgleich ist aus Sicht beider Staaten sorgfältig zu analysieren und begleitende Unterlagen sind möglichst zeitnah zu schaffen, um sicherzustellen, dass die Zahlung beim zahlenden Unternehmensteil auch steuerlich abzugsfähig ist. Da solche Zahlungen idR. unabhängig von Lieferungs- und Leistungstransaktionen stattfinden, sind ggf. Zoll und Umsatzsteuer mit zu betrachten, um Risiken an dieser Stelle zu vermeiden bzw. sie zumindest zu kennen.

Für manche Länder ist zu empfehlen, relevante Verträge und Dokumente im Voraus mit der lokalen Bank und ggf. der staatlichen Devisenbehörde (in China zB. die „SAFE“) abzustimmen, um eine reibungslose Abwicklung der relevanten Zahlung sicherzustellen.

Sofern ein Unternehmen ein operationales Verrechnungspreissystem (“Price Setting“ vs. “Profit Checking“) etabliert hat, bietet sich an, die Frequenz des Monitoringprozesses von quartalsweise auf monatlich umzustellen um möglichst frühzeitig auf Verlustsituationen und ggf. erforderliche Verrechnungspreisanpassungen aufmerksam zu werden.

    • Anpassung der Liefer- und Zahlungsbedingungen

Eine Verlängerung der Zahlungsbedingungen kann dazu beitragen, den Druck auf die Liquidität von Tochterunternehmen zu verringern. Auch hier ist zu empfehlen, begleitende Unterlagen zu erstellen, um potenziellen Herausforderungen der Steuer- und Zollbehörden zu einem späteren Zeitpunkt substantiiert begegnen zu können.

    • Antrag auf Steuerstundungen

Prüfen Sie mit Ihrem Berater die im ggf. im Einklang mit den vorstehend genannten Maßnahmen lokalen Möglichkeiten zur (zinslosen) Stundung fälliger Steuer(voraus)zahlungen bzw. die Herabsetzung von Vorauszahlungen. Hierzu hat das BMF bereits am 19.03.2020 ein Schreiben veröffentlicht, welches die Anpassung der Vorauszahlungen, Stundungsanträge etc. in Bezug auf die aktuelle Situation regelt (s. BMF vom 19.03.2020) und zur GewSt den Erlass vom 19.03.2020; s. auch TAXGATE News vom 16.03.2020.

    • I/C Transaktionen beenden oder vorläufig außer Kraft setzen

Eine weitere Möglichkeit, um zumindest vorläufig Liquidität zu schaffen ist die übergangsweise Außerkraftsetzung von Inter-Company-Transaktionen, die nicht unmittelbar mit der Fertigung und/ oder dem Vertrieb von Produkten zusammenhängen. Das können zB. sein:

–          Lizenzzahlungen,

–          Zahlungen für Konzerndienstleistungen,

–          Rückzahlungen von Konzerndarlehen.

Prüfen Sie die diesen Transaktionen zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen auf eine ggf. mögliche kurzfristige Beendigung. Eine Beendigung solcher Verträge entgegen der vertraglichen Grundlage (zB. sofortige Kündigung vs. Kündigungsfrist 6 Monate zum Halbjahr) kann gem. OECD TP Guidelines oder nationalen Reglungen als Funktionsverlagerung ausgelegt werden und das Risiko einer Kompensationszahlung nach sich ziehen. An dieser Stelle sollten Sie ebenfalls zeitnah Aufzeichnungen erstellen um Ihre Vorgehensweise, tatsächlich vorhandene Handlungsalternativen und den wirtschaftlichen Hintergrund zu belegen.

B.  Veränderung von Funktions- und Risikoprofilen

Um die Lieferketten vertriebsseitig nicht abreißen zu lassen oder um Produktionstätigkeiten aufrecht zu erhalten oder in weniger betroffenen Regionen zu erhöhen, kann eine kurzfristige Veränderung von Funktions- oder Risikoprofilen erforderlich sein, die sich grundsätzlich auf die Höhe von Vergütungen auswirken kann und/oder auch zu einem steuerlich relevanten Ereignis wie einer Funktionsverlagerung führen. Hier gilt ebenfalls, zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen, um Ihre Vorgehensweise, tatsächlich vorhandene Handlungsalternativen und den wirtschaftlichen Hintergrund zu belegen.

C. Verlustanalyse und Erstellung von Dokumentationen

Die Coronakrise führt – selbst bei Anwendung einer gut definierten und ausgesteuerten Verrechnungspreispolicy – vorübergehend zu Renditen von Konzernunternehmen, die nicht mit ihrem Funktions- und Risikoprofil übereinstimmen, insbesondere im Fall von Tochterunternehmen mit Routineprofilen bzw. Cost Centern. Das steuerliche Regelwerk der meisten Staaten weltweit sieht für Tochterunternehmen dieser Profilierung grundsätzlich niedrige, aber stabile und positive Renditen vor, die ihren übernommenen Funktionen, getragenen Risiken und eingesetzten Vermögenswerten entsprechen.

Solche Unternehmen werden nach der Krise sehr wahrscheinlich von ihren lokalen Steuerbehörden kritisch geprüft, wenn sie zu geringe Renditen oder gar Verluste erzielen. In diesem Fall wäre eine Möglichkeit, Verrechnungspreisanpassungen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass Unternehmen mit Routinefunktionen in der Wertschöpfungskette angemessene Gewinne erzielen können, während der Prinzipal das Residualergebnis absorbiert, dh. als die das Ergebnis ausgleichende Einheit im Konzern agiert. Weiter sollte erörtert werden, ob die Verluste von Tochterunternehmen mit Routinefunktionen, die aufgrund unzureichender Produktivität und schwacher Marktnachfrage infolge der Krise als höhere Gewalt entstehen, vom Auftraggeber/Entrepreneur/Strategieträger getragen werden müssen, der zentrale Schlüsselfunktionen ausübt, oder ob solche Verluste in dieser Ausnahmesituation nicht auch von Routineunternehmen zu tragen sind und diese damit ausnahmsweise ebenfalls Risiken in der Wertschöpfungskette zu übernehmen haben.

Um die potenziellen Verrechnungspreisrisiken für alle beteiligten Einheiten zu mindern, empfehlen wir, die in verschiedenen Stadien (zB. vor und während der Krise und während der Erholungsphase nach der Krise) verursachten Verluste zu unterscheiden und entsprechende Unterlagen zu erstellen, um zu erläutern, welche Einheit die Verluste in welcher Höhe zu tragen hat.

D. Personalrückholungen und -entsendungen

Im Fall von kurzfristigen Personalrückholungen im Krankheitsfall oder um spätere Einschränkungen und Verzögerungen bei der Rückreise in ein Heimatland zu vermeiden, sollten Sie bestehende vertragliche Grundlagen prüfen, inwieweit diese in der aktuellen Situation zu beachtende Passagen enthalten und sicherstellen, dass der “Disconnect“ möglichst risikolos stattfindet. Im Fall einer davon abweichenden Vorgehensweise oder rechtlich oder steuerlich nicht mehr rechtzeitig oder vollständig prüfbaren Notfallentscheidungen empfehlen wir ebenfalls eine zeitnahe Dokumentation der Situation und der Umstände für eine ggf. zu einem späteren Zeitpunkt mit der Finanzverwaltung zu führende Diskussion.

Sollten in der jetzigen Situation dringend kurzfristige Personalentsendungen erforderlich werden, sollten Sie diese dennoch wie gewohnt aus Sicht des Entsendestaats und des aufnehmenden Staats strukturieren, prüfen und regeln um steuerliche Risiken zu vermeiden.

E. Interne Kommunikation und die zeitnahe Dokumentation sind entscheidend

Wir empfehlen dringend, alle og. Themen proaktiv mit Ihren verbundenen Unternehmen im Ausland zu kommunizieren und konsequent die entsprechend notwendigen Dokumente möglichst vollständig zu erstellen, um später die Angemessenheit von Entscheidungen und der Gewinn- (Verlust-) Verteilung auf die Konzernunternehmen während der Krise belegen zu können. Gehen Sie aktiv auf ihre Einheiten im Ausland zu und warten Sie nicht bis Entscheidungen nur noch unter Druck und mit eingeschränkten Entscheidungsfreiräumen getroffen werden können. Nehmen Sie die ggf. entstehenden Verrechnungspreisthemen in den jetzt ohnehin erforderlichen regelmäßigen Austausch mit ihren Finanzverantwortlichen im Ausland auf.

Derzeit kommt vor allem darauf an, möglichst viel an Informationen und Hintergrundmaterial für Ihre Entscheidungen zu sammeln: zB. aktuelle behördliche Anordnungen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf ihre Geschäftstätigkeit auswirken oder Aufzeichnungen mit Kunden (zB. Storno von Bestellungen, Zahlungsverzug).

Das Format dieser Aufzeichnungen ist dabei zunächst nachrangig und kann ggf. später noch formgerecht aufbereitet werden. Entscheidend sind ggf. zeitnahe handschriftliche Aufzeichnungen, Aktennotizen, Emails, Screenshots von Meldungen im Internet, Telefonnotizen, Presseartikel etc.

Je besser Sie die derzeitige Ausnahmesituation dokumentieren und Ihre Entscheidungen später mit zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehenden Entscheidungsgrundlage begründen und belegen können, desto größer sind später die Chancen und geringer die Risiken, wenn Sie eine Finanzverwaltung zu einem späteren Zeitpunkt damit konfrontiert.

Unser Team steht Ihnen weiterhin sowohl in Stuttgart als auch in den Partnerregionen über das Netzwerk von TPA Global zur Verfügung! Bleiben Sie guten Mutes und vor allem bleiben Sie gesund!

Carsten Schmid