Immer mehr Menschen ziehen im Rahmen ihrer Lebensplanung zeitweise oder dauerhaft ins Ausland; Unternehmen internationalisieren. Doch was bedeutet ein Wegzug aus Deutschland eigentlich für die Erbschaftsteuer? Welche steuerlichen Spielregeln bestehen, und worauf sollte insbesondere mit Blick auf die Vermögensnachfolge geachtet werden? Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Aspekte.
1. Grundsätzliches: Die Verbindung Deutscher Erbschaftsteuerpflicht mit dem Wohnsitz
In Deutschland richtet sich die Erbschaftsteuerpflicht primär nach dem Wohnsitz („Inländer“) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Als Inländer gelten dabei insbesondere natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet sowie deutsche Staatsangehörige, die im Zeitpunkt des Erwerbs seit weniger als fünf Jahren im Ausland leben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 b ErbStG).
- Unbeschränkte Steuerpflicht:
Solange der Erblasser oder der Erwerber Inländer ist, unterliegt der weltweite Vermögenserwerb der uneingeschränkten deutschen Erbschaftsteuerpflicht. - Beschränkte Steuerpflicht:
Wird weder der Erblasser noch der Erbe nach Wegzug als Inländer eingestuft, greift nur noch die sog. beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 121 BewG), d. h. der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt ausschließlich Inlandsvermögen iSd. § 121 BewG.
2. Die „Fünfjahresregel“ bei der deutschen Staatsangehörigkeit
Selbst nach dem Wegzug bleiben Deutsche aus erbschaftsteuerlicher Sicht bis zu fünf Jahre nach Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland weiterhin als „Inländer“ steuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 b ErbStG).
Achtung: Bei einem Wegzug in bestimmte Niedrigsteuerländer (iSd. Außensteuergesetz) verlängert sich diese Frist sogar auf zehn Jahre.
3. Auswirkungen für die Nachfolgeplanung
a) Wegzug des Erblassers:
Erfolgt ein Wegzug mit deutscher Staatsangehörigkeit und verstirbt der Erblasser innerhalb von 5 (bzw. 10) Jahren nach Wegzug, wird der gesamte weltweite Nachlass der deutschen Erbschaftsteuer unterworfen.
b) Wegzug des Erwerbers (Erben):
Auch der Erwerber mit deutscher Staatsangehörigkeit ist nach Wegzug aus Deutschland für 5 (bzw. 10) Jahre als Inländer zu behandeln. Erbt dieser innerhalb der Frist, ist auch sein Welterwerb steuerpflichtig.
c) Wegzug beider Parteien:
Sind weder Erblasser noch Erwerber Inländer, greift die beschränkte Steuerpflicht. Der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt nur noch bestimmtes Inlandsvermögen, insbesondere Immobilien in Deutschland. D. h., wenn das Vermögen überwiegend aus deutschen „Assets“ besteht, lohnt sich ein Wegzug aus erbschaftsteuerlicher Sicht kaum, bei Kapitalvermögen sieht das anders aus. Auch die Zusammensetzung des Vermögens sollte daher betrachtet werden. Grundsätzlich können Gestaltungen geprüft werden, die deutschen „Assets“ strukturell dem Anwendungsbereich der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht zu entziehen. Sprechen Sie uns hierzu gerne an.
4. Praktische Folgen und Gestaltungsüberlegungen
- Ein frühzeitiger Wegzug aller Beteiligter (Erblasser und Erwerber) kann die deutsche Erbschaftsteuer vermeiden bzw. reduzieren, wenn der Nachlass hauptsächlich aus ausländischem Vermögen besteht und nach Wegzug 5 bzw. 10 Jahre verstrichen sind.
- Im Fall der beschränkten Steuerpflicht ist zu prüfen, inwieweit persönliche Freibeträge, Steuerklassen und sachliche Steuerbefreiungen in Anspruch genommen werden können.
- Doppelbesteuerung ist möglich, sofern auch der Zuzugsstaat Erbschaftsteuer festsetzt. Doppelbesteuerungsabkommen existieren nur mit wenigen Ländern (z. B. USA, Frankreich, Schweiz).
- Für Unternehmensanteile, Immobilien und internationale Vermögensstrukturen sollte stets auch das ausländische Erbschaftsteuerrecht und etwaige ausländische Rechtsformen (Trusts/Foundations) mitbedacht werden.
5. Doppelbesteuerungsgefahr & Anrechnung ausländischer Steuern
Bei gleichzeitiger Besteuerung des Erbfalls in Deutschland und dem neuen Wohnsitzstaat kommt es zu einer Doppelbesteuerung. Nach § 21 ErbStG bzw. einschlägigen DBA kann in bestimmten Fällen eine Anrechnung oder ein Erlass der ausländischen Steuer erfolgen – zumeist nur mit ausreichend Nachweis und Antragsstellung.
Fazit
Der Wegzug aus Deutschland bringt zahlreiche erbschaftsteuerliche Implikationen mit sich – von der Fünfjahresfrist (bzw. Zehnjahresfrist) über die Reichweite der beschränkten Steuerpflicht bis hin zur drohenden Doppelbesteuerung. Gerade vermögende Privatpersonen und Unternehmerfamilien sollten gemeinsam mit spezialisierten Beratern eine vorbeugende und auf die individuelle Lebenswirklichkeit abgestimmte Nachfolgeplanung entwickeln, um steuerliche Überraschungen zu vermeiden und das Vermögen gezielt für die nächste Generation zu sichern.
Hinweis
Zu klären sind in Wegzugsfällen selbstverständlich auch ertragsteuerliche Fragen – so kann etwa die unbedachte Vererbung einer deutschen Kapitalgesellschaft an einen Steuerausländer die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG auslösen. Zu betrachten ist auch die Frage des Erbrechts. Ggf. ist ein Testament nach dem Recht des Wegzugsstaats zu errichten. Daneben sind auch Ehe- und Familienrechtliche Fragen zu klären. Wichtig ist schließlich die Sozialversicherung.
Haben Sie Fragen zu konkreten Fallgestaltungen oder internationalen Nachfolgefragen? Sprechen Sie uns gerne an – als Ihr Berater für internationale steuerliche Nachfolgeplanung unterstütze wir Sie mit passgenauen Lösungen. Ihr TAXGATE Team unterstützt vermögende Privatpersonen und Familienunternehmen bei komplexen steuerlichen Fragen und vertritt ihre Interessen gegenüber der Finanzverwaltung.