Der Kauf eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils kann Investoren in Krisensituationen die Chance auf eine günstige Erwerbsgelegenheit bieten. Zur Verfügung stehen hier verschiedene Sanierungsmechanismen sowie mehrere Einstiegsvarianten, abhängig von der Art des Einstiegs sowie vom jeweiligen Zeitpunkt. Nachfolgend werden einige Punkte skizziert.

Einstieg mittels Share Deal

Ein Share Deal macht insbesondere Sinn, wenn eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen mit übergehen sollen. Im Fall nicht übertragbarer Assets ist es beispielsweise nur möglich, über den Anteilskauf in den Besitz dieser Assets (beispielsweise bestimmte nicht übertragbarer Lizenzen, Rechte oder Nutzerdaten) zu gelangen. Vorteile kann dies auch im Hinblick auf bestehende Dauerschuldverhältnisse haben, wie etwa wesentliche Mietverträge, da diese im Insolvenzplanverfahren weiterlaufen. Hier hat das Unternehmen z.B die Wahl, welche Standorte es aufgeben will und welche es weiter betreiben möchte.

Beim Erwerb eines Unternehmens in der Krise oder im Rahmen einer Insolvenz („Distressed M&A“) sind insolvenzrechtliche Besonderheiten zu beachten. Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das am 1. März 2012 in Kraft getreten ist, wurde die Insolvenzordnung weitreichend reformiert. Das ESUG-Verfahren beinhaltet die Einleitung eines Insolvenzverfahrens mit dem Ziel, das Unternehmen unter einem Schutzschirm nach § 270b InsO oder im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO über einen Insolvenzplan zu sanieren und das Verfahren von Anfang an gemeinsam mit den wichtigsten Gläubigern im Rahmen eines sog. vorläufigen Gläubigerausschusses zu gestalten und mitzubestimmen. Bereits in der Phase zwischen Insolvenzantragstellung und Eröffnung kann die sogenannte vorläufige Eigenverwaltung angeordnet werden. Mit dem Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) wird dem Schuldner im Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung ein eigenständiges Sanierungsverfahren zur Verfügung gestellt. Der Schuldner erhält auf einen entsprechenden Antrag und Beschluss des Gerichts bis zu drei Monate Zeit, unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erstellen, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Ein weiterer Mechanismus ist der sog. Debt Equity Swap gem. § 225a Abs. 1 InsO. Die Verbindlichkeit eines Gläubigers wird hierbei gegen eine Beteiligung am Unternehmen getauscht, um so Fremd- in Eigenkapital umzuwandeln.

Insgesamt wird dem Unternehmen mit diesen Mechanismen eine erleichterte Sanierung ermöglicht und in verschiedener Hinsicht der Druck genommen, um ein Weiterexistieren am Markt zu ermöglichen. Schätzungen zufolge sind insbesondere bei mittelständischen Unternehmen Managementfehler zu 95% die Ursache der Unternehmenspleite (vgl. hierzu auch Ettinger/Jaques, Beck’sches Handbuch Unternehmenskauf im Mittelstand, 2. Aufl. 2017 Teil F Rn. 1.). Dies bietet auch für Investoren und potenzielle Erwerber eine interessante Möglichkeit zum Einstieg in das betreffende Segment über einen Share Deal, um das betreffende Unternehmen sodann neu aufzustellen.

Einstieg mittels Asset Deal

Neben den Sanierungsmöglichkeiten, welche die Insolvenzordnung bietet, haben Erwerber die Möglichkeit einer „übertragenden Sanierung“ auf eine Auffanggesellschaft („NewCo“) des Erwerbers in Form eines Asset Deals, um sodann den erworbenen Unternehmensteil am Markt zu etablieren. Dabei kann Vermögen mit deutlichen Abschlägen übernommen werden, wobei wiederum Verbindlichkeiten und Haftungsrisiken des insolventen Unternehmens zurückbleiben können. Wird der Geschäftsbetrieb im Wege eines Asset Deals auf einen neuen Rechtsträger übertragen, so muss dieser beispielsweise sämtliche Verträge über Dauerschuldverhältnisse mit Ausnahme der bestehenden Arbeitsverhältnisse im Rahmen des § 613a BGB, neu verhandeln bzw. neu abschließen.

Die Beteiligten

Die Übernahme von Unternehmen oder Unternehmensteilen aus der Krise oder gar aus einer Insolvenz weist nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Beteiligten eine besondere Komplexität im M&A-Segment auf. Die Erwartungen der Beteiligten stellen dabei vor dem Hintergrund eines stets sehr hohen Zeitdrucks eine besondere Hierausforderung dar. Die widerstreitenden Interessen der Beteiligten (Verkäufer und Käufer, Lieferanten, Banken, Mitarbeitern, Arbeitnehmervertretung u.a.) erfordern eine fokussierte und feinabgestimmte Arbeit eines hochspezialisierten Expertenteams sowie eine schnelle und gut koordinierte Kommunikation mit den Akteuren.

Eine zügige und auch transparente Arbeit und vor allem die schnelle Einbeziehung des maßgeblichen Gläubigerausschusses sind in jedem Fall eine wichtige Maxime, um ungeliebte Überraschungen zu vermeiden. Nicht selten gilt es auch das Reputationsinteresse des kriselnden Unternehmens zu berücksichtigen.

Der Faktor Zeit

Der Kauf aus der Krise steht in aller Regel unter einem immensen Zeitdruck. Dabei kann es erforderlich sein, dass zahlreiche (aufschiebende) Bedingungen, Garantien oder auch Freistellungsbestimmungen in das Vertragsdokument aufgenommen werden müssen. Die Erfahrung zeigt, beispielsweise eine ordnungsgemäße Due Diligence in der Kürze der Zeit im Einzelfall nur eingeschränkt möglich sein wird. Folglich kann diese nur mittels vertraglicher Regelungen zur Bedingung gemacht werden und bis zum Closing nachgeholt werden. Aber auch die Aufnahme von Garantien oder Gewährleistungen stellt insofern eine praktische Herausforderung dar, als – insbesondere beim Asset Deal – die Verkäuferseite sich ja in der Krise oder bereits in der Insolvenz befindet. Garantien eines ohnehin insolventen Unternehmens werden dabei schnell zu zahnlosen Tigern. Hier kann das jeweilige Risiko, sofern dieses denn bei Vertragsverhandlung bereits entsprechend sondiert werden kann, bei der Verhandlung über den Kaufpreis berücksichtigt werden. Ebenso kann auch eine entsprechende Kaufpreishinterlegung auf ein Treuhandkonto („Escrow“) in Betracht kommen. Des Weiteren ist es auch möglich, das Risiko durch eine Warranty and Indemnity Insurance („W&I-Versicherung“) abzusichern. Solche Gewährleistungsversicherungen können die im Unternehmenskaufvertrag abgegebenen Garantien abdecken und übernehmen einen Großteil der Haftung, die ansonsten vom Verkäufer zu tragen wäre. Zu empfehlen ist beim Kauf aus der Krise insbesondere auch die Kaufpreisfindung ausführlichst zu dokumentieren. So kann gegebenenfalls nachverhandelt werden, wenn sich die Bedingungen wesentlich ändern oder anders darstellen.

Hinsichtlich des Erwerbszeitpunktes ist insbesondere zwischen den verschiedenen Phasen der Krise zu unterscheiden. Der Erwerb kann dabei erfolgen

  • in der Krise, jedoch noch vor Stellung des Insolvenzantrags (Phase I)
  • nach Antragstellung und nach Bestellung eines vorl. Insolvenzverwalters (Phase II)
  • nach Insolvenzeröffnung mit endgültigem Insolvenzverwalter (Phase III)

Jede Phase weist Besonderheiten auf, die es mit äußerster Sorgfalt zu beachten gilt. In allen Phasen ist daher eine eingehende Due Diligence mit Risiko- und Ursachenanalyse erforderlich.

Beim Kauf vor einem Insolvenzantrag (Kauf in Phase I) ist der Verkäufer noch vollumfänglich verfügungsbefugt. In dieser Phase sind insbesondere die Insolvenzgründe genau abzuprüfen und etwaige Managementfehler zu sondieren. Insbesondere ist eine genaue Prüfung der Prozessabläufe erforderlich.

Bei einem Kauf noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Phase I und II) mittels eines Asset Deals sind auch die Haftungstatbestände §§ 25 HGB, 613a BGB und 75 AO sowie eine etwaige spätere Anfechtung und Erfüllungsverweigerung durch den Insolvenzverwalter zu beachten bzw. zu prüfen.

In der Phase II muss der vorläufige Insolvenzverwalter dem Verkauf zuzustimmen. In der Phase III erfordert der Verkauf durch den Insolvenzverwalter beim Verkauf vor dem Berichtstermin der Zustimmung des Gläubigerausschusses. Haftungsvorschriften wie § 75 AO oder auch § 25 HGB finden in dieser Phase keine Anwendung. Daneben gelten in der Insolvenz arbeitsrechtliche Erleichterungen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 613a BGB.

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