Vor 15 Jahren wurde in Deutschland ein grundlegender Systemwechsel in der Unternehmensbesteuerung vollzogen. Das bis dahin geltende körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren wurde durch ein Doppelbesteuerungssystem ersetzt. Der Systemwechsel wurde seinerzeit in der Wissenschaft heftig kritisiert (vgl. nur Siegel / Bareis u.a., BB 2000, 1269), da er mit einer Aufgabe eines wichtigen Grundsatz für ein schlüssiges System der Unternehmensbesteuerung einher ging, nämlich der Zielsetzung der Entscheidungsneutralität der Besteuerung. Hiernach sollen unternehmerische Aktivitäten idealerweise unterschiedslos besteuert werden, unabhängig davon, in welchem Rechtskleide (Kapitalgesellschaft, Personengesellschaft, Einzelunternehmen) sie getätigt werden. Dies bedeutet, dass Gewinne letztlich nur auf Ebene des Unternehmers mit Einkommensteuer belastet werden dürfen, unabhängig davon, ob sich der Unternehmer dazu entscheidet eine steuerlich transparente Unternehmensform (Personengesellschaft, Einzelunternehmen) oder eine steuerlich abschirmende Rechtsform (Kapitalgesellschaft) für die Durchführung seiner erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen zu verwenden. Eine ggf. aus Steuerhebungsgründen einbehaltene Steuer auf Ebene einer Kapitalgesellschaft (Körperschaftsteuer) ist in dieser Denke lediglich als Vorauszahlung auf die individuelle Einkommensteuerschuld des Gesellschafters anzusehen. Dieses Grundprinzip lag dem bis 2001 geltenden und in der Wissenschaft stark präferierten körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zugrunde. Der Gesetzgeber hat hingegen, insbesondere aus europarechtlichen Gründen und wegen der vermeintlichen Kompliziertheit des Anrechnungsverfahrens die Notwendigkeit gesehen, dieses System abzuschaffen und durch ein Doppelbesteuerungssystem zu ersetzen, welches sich dadurch auszeichnet, dass auf Ebene einer Kapitalgesellschaft eine definitive (nicht auf Gesellschafterebene anrechenbare) Körperschaftsteuer anfällt und zusätzlich auf Gesellschafterebene Ausschüttungen besteuert werden.
Geschichte wiederholt sich – auch im Steuerrecht. Vor Weihnachten hat der Gesetzgeber den Entwurf für ein neues Investmentsteuerrecht vorgelegt (vgl. TAXGATE News v. 18.12.2015). Auch im Investmentsteuerrecht soll aus den nahezu identischen Gründen wie 15 Jahre zuvor (administrative Komplexität, EU-rechtliche Bedenken) ab 2018 ein wichtiges steuersystematisches Prinzip völlig aufgegeben werden, nämlich der Grundsatz, dass die Steuerfolgen der Fondsanlage denen der Direktanlage entsprechen sollen. Dieser seit Jahrzehnten in Deutschland und auch international unbestrittene Besteuerungsgrundsatz soll nun durch ein steuerlich intransparentes Besteuerungssystem ersetzt werden, welches sich dadurch auszeichnet, dass auf Ebene des Investmentfonds eine eigenständige definitive Belastung mit Körperschaftsteuer auf deutsche Dividenden- und Immobilienerträge anfallen wird. Auf Anlegerebene werden im Sinne einer effektiven Doppelbesteuerung bei Publikumsfonds zusätzlich Ausschüttungen, Gewinne aus der Veräußerung der Fondsanteile sowie – um Stundungsvorteilen entgegenzuwirken – eine sog. Vorabpauschale besteuert. Anschließend wird versucht, durch pauschalierte Teilfreistellungen für bestimmte Fondstypen (Aktienfonds, Mischfonds, Immobilienfonds) eine gewisse Kompensation zu erreichen, was allerdings nur in wenigen Einzelfällen treffsicher gelingen kann. Je nach Art der vom Fonds gehaltenen Vermögensgegenstände, der Belegenheit der Vermögensgegenstände, des Steuerstatus des Anlegers, der Qualifikation des Fonds als „Spezial-Investmentfonds“ usw. stellt sich der Anleger künftig im Rahmen einer Fondsanlage besser oder auch schlechter, verglichen mit der Direktanlage. Dies wird in der Praxis dazu führen, dass institutionelle und private Anleger nicht mehr ohne Weiteres von der Privilegierung der Fondsanlage ausgehen können und ihre Investitionsentscheidung vermehrt unter steuerlichen Gesichtspunkten treffen müssen.
Doppelbesteuerungssysteme mögen aus Sicht der Finanzverwaltung einfacher zu handhaben sein. Dies wird jedoch teuer erkauft, da das Steuerrecht nicht länger entscheidungsneutral ist und je nach Struktur des Unternehmens bzw. des Investments in wirtschaftlich vergleichbaren Alternativen unterschiedliche Gesamtsteuerbelastungen die Folge sind (vgl. hierzu die Fallbeispiele zur neuen Investmentfondsbesteuerung bei Elser/Thiede, Der Referentenentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung (InvStRefG), NWB-EV Heft 2/2016, S. 51 ff.). Der Unternehmer bzw. Anleger muss Steuerplanung betreiben, braucht hierfür einen spezialisierten Steuerberater, um sich vernünftig über die steuerlichen Folgen seines Engagements aufklären zu lassen. Das vom Gesetzgeber bewusst entscheidungsaneutral ausgestaltete Besteuerungssystem wird natürlich vom gut beratenen Steuerpflichtigen so genutzt, dass die Steuerbelastungen auf die erzielten Erträge möglichst minimiert werden. Wer ein derartiges System einführt, darf sich später nicht über Steuerpflichtige beschweren, die wirtschaftlich vernünftig versuchen ihre Steuerbelastungen durch geeignete Gestaltungen zu minimieren.
Dr. Thomas Elser ist Steuerberater bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Steuerkanzlei TAXGATE.