Die London Interbank Offered Rate (LIBOR) dient weltweit als Maßstab für Finanztransaktionen mit einem Volumen von geschätzt 370 Billionen US-Dollar. Die Einstellung des LIBOR Ende 2021 erfordert, dass die Marktteilnehmer spätestens ab dem 1.1.2022 alternative Leitzinsen verwenden.

Der LIBOR ist ein Zinssatz, der auf dem durchschnittlich gemeldeten Zinssatz basiert, zu dem die großen globalen Banken ungesichert Kredite aufnehmen können. Es wird für fünf Währungen mit unterschiedlichen Laufzeiten veröffentlicht. Mit dem LIBOR werden viele Arten von Finanzprodukten bewertet: von Plain-Vanilla-Darlehen bis zu Zinsswaps und anderen komplexen Derivaten.

Diese Änderung hat auch Auswirkungen auf die Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen („MNE“), die auf Grundlage des LIBOR Intercompany-Finanzierungsvereinbarungen getroffen haben. Betroffene Unternehmen sollten die Auswirkungen auf bestehende Transaktionen und Richtlinien rechtzeitig bewerten und ein Übergangsszenario erstellen, das voraussichtliche Auswirkungen durch die Einstellung des LIBOR berücksichtigt.

Alternativen zum LIBOR

In verschiedenen Ländern haben sich alternative Zinssätze herausgebildet, deren Merkmale sich vom LIBOR je nach Region, Währung, Laufzeit und Basis jedoch erheblich unterscheiden.

In den USA etabliert sich die 2018 von der Federal Reserve eingeführte Secured Overnight Financing Rate (SOFR). Die SOFR basiert auf dem Zinssatz für Banken, die über Nacht auf dem Markt Kredite für Pensionsgeschäfte aufnehmen, bei denen Kreditgeber wie Geldmarktfonds kurzfristige Kredite an Obligationenmakler vergeben, wobei sie häufig Staatsanleihen als Sicherheiten verwenden. Die Alternativen im Vereinigten Königreich, der Reformed Sterling Overnight Index Average (SONIA) und in Europa, die Euro Short-Term Rate (ESTER) sind unbesicherte Rates. Die Schweizer Durchschnittsrate (SARON), eine über Nacht gesicherte Rate, basiert auf einer Mischung aus Transaktions- und Umfragedaten.

Denkbare Alternativen zu den verschiedenen LIBOR Sätzen sind:

Unternehmen, die konzerninterne Finanzierungstransaktionen bepreisen oder über Finanzierungsstrukturen verfügen (zB. Inhouse-Banken, Cash-Pools und Back-to-Back-Kreditvereinbarungen), die auf dem LIBOR basieren, müssen spätestens ab dem 1.1.2022 auf einen alternativen Zinssatz umstellen. 

Auswirkungen auf Verrechnungspreise

Intercompany-Darlehen

Für Intercompany-Darlehen, die den LIBOR als Basiszinssatz anwenden und die nach 2021 fällig werden, sollte rechtzeitig eine Änderung der Vereinbarungen in Erwägung gezogen werden, ggf. erforderliche Maßnahmen und Zeitpläne für die Umstellung sind zu ergänzen.

Dabei ist zu bedenken, dass zB. in den USA bestimmte Änderungen als steuerschädlich angesehen werden können und möglicherweise einen steuerpflichtigen Gewinn oder Verlust auslösen oder eine Zinsabzugsbeschränkung beeinflussen.

Unternehmen, die bis Ende 2021 neue Intercompany-Darlehen abschließen, sollten die Einbeziehung von Rückfallklauseln in Betracht ziehen.

Verrechnungspreis-Policy

Nach den allgemein gültigen Verrechnungspreisnormen müssen zur Vermeidung von steuerlichen Nachteilen konzerninterne Darlehen zu marktüblichen Konditionen vereinbart werden. Die im LIBOR enthaltenen Informationen und die vorgeschlagenen neuen Referenzzinssätze können sich hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit mehr oder weniger unterscheiden. Unternehmen sollten daher ihre Verrechnungspreis-Policy an dieser Stelle überprüfen, ggf. neu bewerten und Regelungen zur Vergleichbarkeit neu bestimmen.

IT-Systeme und Prozesse

Die Änderung einer Verrechnungspreis-Policy wirkt sich idR. auf IT-Systeme und Prozesse zur Berechnung von Intercompany-Zinssätzen aus. Abhängig vom Automatisierungsgrad kann dies eine Umprogrammierung und Aktualisierung von ERP-Systemen erfordern.

Notwendige Maßnahmen reichen von Prozesshandbüchern bis zu Schulungen der Finanz- und/oder Steuerteams, die operativ mit Verrechnungspreisen arbeiten.

Unternehmen, die für die Verwaltung von Intercompany-Finanzierungen oder ihrer Liquidität arbeitsintensive Prozesse verwenden, sollten bestehende Modelle neu ausrichten und die Quellen festlegen, aus denen künftig Marktinformationen abgerufen werden. Entsprechende Anpassungen und Umstellungen sind ggf. im Einklang mit neuen Richtlinien vorzunehmen. Eine Abstimmung zwischen Finanzen, Controlling, Steuern, Transfer Pricing, Treasury, Recht und IT ist dringend zu empfehlen.

Sicherungsgeschäfte

MNE schließen häufig Sicherungsgeschäfte als Teil ihres Risikomanagements ab, um Währungsrisiken zu begrenzen. Diese sind vielfach an den LIBOR gebunden. Treasury-Abteilungen und Hausbanken sollten daher die Auswirkungen der Einstellung des LIBOR auf bestehende Intercompany-Finanzierungs- und Sicherungsstrukturen planen.

Empfehlung

Bis Ende 2021 ist zwar noch etwas Zeit, aber die Auswirkungen auf eine Verrechnungspreis- Policy durch die Einstellung des LIBOR erfordern eine sorgfältige Analyse und Planung der Anpassungen. Um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen, sollten die betroffenen Transaktionen und Strukturen rechtzeitig identifiziert und Übergangsszenarien entwickelt werden, um der Abschaffung des LIBOR angemessen zu begegnen.

Carsten Schmid ist Verrechnungspreisexperte und steht Ihnen für weitere Auskünfte in diesem Bereich gerne zur Verfügung.

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