Die Panama Papers sorgten in den letzten Wochen rund um den Globus für große Aufregung. Nachdem sich der erste Sturm gelegt hat, ist es Zeit für eine sachliche Einordnung der Vorwürfe, die nach der Veröffentlichung erhoben wurden.
Die Panama Papers decken auf, dass die Anwaltskanzlei Mossa Fonzecka, in Panama City in großem Stil für ihre Mandanten sogenannte Briefkastenfirmen gründete. Nun wird vermutet, dass Mandanten die Briefkastenfirmen für dubiose Zwecke, wie Steuerhinterziehung, Geldwäsche und das Verstecken von staatlichem Vermögen (Stichwort Oligarchen) nutzten. In den Fokus gerieten international agierende Unternehmen und Privatpersonen. Nicht nur Journalisten sondern auch Steuerfahndung und Staatsanwaltschaften, in den betroffenen Ländern, werden die aufgedeckten Geschäftsbeziehungen gründlich analysieren. Inzwischen fanden deshalb, wenig überraschend, zwei Razzien in den Räumen der Kanzlei Mossa Fonzecka statt. Ob die Vorwürfe des illegalen Verhaltens im Einzelnen gerechtfertigt sind, wird sich jedoch erst nach der gründlichen Auswertung der Dokumente zeigen.
Was ist Asset Protection?
Im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen fällt immer wieder der Begriff Asset Protection, denn Briefkastenfirmen werden häufig zu diesem Zweck eingesetzt. In der öffentlichen Wahrnehmung scheint der Begriff inzwischen ein Synonym für das illegale Verstecken von Vermögen und Steuerhinterziehung zu sein. Doch was steckt wirklich dahinter?
Asset Protection bedeutet zunächst nichts anderes als der Schutz von Vermögen. Privatpersonen und Unternehmen möchten verhindern, dass wirtschaftliche Verflechtungen für jedermann sichtbar zutage treten und dass Dritte unberechtigt auf das Vermögen zugreifen bzw. Ansprüche anmelden. Sogenannte Briefkastenfirmen eignen sich hierzu aus drei Gründen: sie sind einfach zu gründen, brauchen bis auf einen Geschäftsführer kein Personal und je nach Ort ihrer Gründung gibt es kein Register, aus dem die Gesellschafter für jedermann sichtbar veröffentlicht werden. Im Gegensatz dazu sind die Gesellschafter deutscher GmbHs über das öffentlich zugängliche Handelsregister leicht zu ermitteln. Trotzdem handelt es sich um ein vollwertiges Unternehmen, das Vermögen haben kann, wie beispielsweise Immobilien, Beteiligungen an anderen Unternehmen, Bankkonten oder Anteile an Investmentfonds. Viele Länder bieten den Rechtsrahmen für solche Gesellschaften, beispielsweise Staaten der USA wie Delaware.
Asset Protection = Straftat?
Aus der Anonymisierung wird dann Vorwurf generiert, dass Briefkastenfirmen nur Personen nutzen, die etwas zu verbergen haben. Unternehmen und Privatpersonen wird unterstellt, sie würden Gewinne verstecken oder in Steueroasen verlagern, Schwarze Kassen kaschieren, Gläubiger benachteiligen und Geldwäsche betreiben. Privatpersonen müssen sich zusätzlich fragen lassen, ob sie Geld vor der Familie, insbesondere vor dem Ehepartner oder den Kindern, zu verstecken, um sich Ansprüchen auf Unterhalt, Zugewinnausgleich oder Erbansprüchen zu entziehen.
Der automatische Schluss von der Anonymisierung auf kriminelle Machenschaften geht aus zwei Gründen fehl: Erstens gibt es viele legale und legitime Zwecke aus dem Bereich Asset Protection, Briefkastengesellschaften einzusetzen. Zweitens kann sich niemand durch den schlichten Einsatz einer Briefkastenfirma den dem Fiskus, seinen Gläubigern und berechtigten Ansprüchen seiner Familie entziehen.
Privatpersonen und Unternehmen, die sich der Asset Protection bedienen, müssen sich im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen: Durch den schlichten Einsatz einer Briefkastenfirma kann man sich den zuständigen Behörden wie der Steuerverwaltung und der Kapitalmarktaufsicht, den Antigeldwäschegesetzen, seinen Gläubigern und auch nicht den berechtigten Ansprüchen seiner Familie entziehen. Dass Briefkastenfirmen deutschen Steuerpflichtigen keine Steuervorteile verschaffen, erläuterten jüngst Dr. Thomas Elser und Dr. Frank Thiede in ihrem Beitrag „Die Briefkastengesellschaft aus deutscher steuerlicher Sicht“ in der Börsenzeitung.
Legale und legitime Zwecke der Asset Protection
Vermögende Privatpersonen nutzen die Möglichkeit der Anonymisierung, damit die Allgemeinheit nichts über den Umfang und die Struktur ihres Vermögens erfährt. Zwar sind Informationen über Konten und Depots wegen des Bankgeheimnisses für die Allgemeinheit nicht zugänglich. Ganz anders sieht es jedoch bei Beteiligungen an Unternehmen aus: So müssen Kommanditgesellschaften (KGs, GmbH & Co. KGs) und GmbHs ihre Gesellschafter im Handelsregister veröffentlichen. Darüber hinaus müssen alle Kapitalgesellschaften und andere große Unternehmen ihren Jahresabschluss im Bundesanzeiger veröffentlichen. In Kombination mit den Angaben aus dem Handelsregister ermöglichen diese Informationen dem fachkundigen Leser eine Taxierung des Vermögens. In einem nicht so sicheren Umfeld können solche Informationen ein Sicherheitsrisiko, gerade für Minderjährige und geschäftlich noch unterfahrene Personen, darstellen.
Personen, die im öffentlichen Fokus stehen, sind als Investoren für Außenstehende nicht erkennbar, was handfeste finanzielle Vorteile haben kann. Ein Preisaufschlag für Prominente bzw. erkennbar wohlhabende Personen beim Erwerb hochpreisiger Immobilien ist nicht selten.
Beliebt ist auch die Bündelung von Familienvermögen mir Hilfe solcher Zweckgesellschaften. Ein Family Office ermöglicht eine effiziente Verwaltung, da nicht jedes Familienmitglied jede einzelne Anlageentscheidung selbst treffen muss. Family Offices sind wegen des von ihnen verwalteten Volumens interessante Kunden für Vermögensverwalter und Banken – sie erhalten in der Regel eine bessere Betreuung als ein Familienmitglied für sich alleine. Dies dient nicht zuletzt der finanziellen Absicherung von Kindern und Ehepartnern. Familienmitglieder können über Briefkastenfirmen gemeinschaftlich in Unternehmensbeteiligungen investieren und strategisch bedeutsame Anteilspakete erwerben, ohne dass ihr Engagement allgemein bekannt wird. Auch Kapitalanlagen lassen sich ganz nach den individuellen Wünschen und Bedürfnissen strukturieren.
Rechtliche und steuerliche Konsequenzen
Anonymität für die Allgemeinheit bedeutet nicht Anonymität gegenüber dem Geschäftspartner! Bereits nach den geltenden Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche müssen unter anderem Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungsinstitute nach dem „Know your Customer“-Prinzip festhalten, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, mit anderen Worten wer Gesellschafter einer Briefkastenfirma ist. Diese Pflichten treffen auch Treuhänder und Dienstleister, die Gesellschaften gründen – und damit die Dienstleister, die Briefkastengesellschaften gründen und verwalten. Auf EU-Ebene wurden die Anforderungen durch die Vierte Geldwäscherichtlinie unlängst verschärft.
Strategische Investments, die auf relevante Minderheitsbeteiligungen oder gar Mehrheitsbeteiligungen zielen, müssen unter Umständen den zuständigen Aufsichtsbehörden gemeldet bzw. publiziert werden.
Auch macht es keinen Sinn, Geld vor der Familie zu verstecken, um beispielsweise im Falle einer Scheidung dem weniger vermögenden Ehepartner den Zugewinnausgleich vorzuenthalten oder vermeintlich erbunwürdige Kinder auszubooten. Die Ansprüche bestehen weiter – notfalls können die betrogenen Familienmitglieder auf Auskunft klagen.
Wenn Briefkastengesellschaften Kapitaleinkünfte in Form von Zinsen oder Dividenden vereinnahmen, werden diese nach deutschem Steuerrecht dem in Deutschland ansässigen Gesellschafter zugerechnet, d.h. sie müssen in Deutschland versteuert werden. Gehen im Erbfall Anteile an Briefkastengesellschaften an Ehepartner oder Kinder über, unterliegt das Vermögen der deutschen Erbschaftsteuer. Eine Schenkung von Anteilen ist ebenso in Deutschland steuerpflichtig. Unterlässt der Steuerpflichtige die Deklaration dieser Vorgänge, begeht er eine Steuerhinterziehung.
Bei Auslandssachverhalten, zu denen auch die Beteiligung an ausländischen Unternehmen gehört, treffen den Steuerpflichtigen außerdem erhöhte Aufklärungspflichten. Stellt das Finanzamt beispielsweise fest, dass die deklarierten Kapitaleinkünfte plötzlich stark zurückgehen oder andere Indizien auftauchen, die auf ein Verschweigen von Einkünften hindeuten, fordert es den Steuerpflichtigen zu einer detaillierten Stellungnahme auf. Hinweise kann das Finanzamt beispielsweise über Kontrollmitteilungen ausländischer Finanzbehörden erhalten – Deutschland verfügt über ein Netz mit vielen Staaten auch außerhalb der EU zum Datenaustausch. Überzeugen die Angaben des Steuerpflichtigen das Finanzamt nicht, kann es die Einkünfte schätzen – und zwar zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die drohende Strafbarkeit kombiniert mit dem internationalen Datenaustausch und dem Recht, die Einkünfte zu schätzen, ist ein effektives Druckmittel.
Fazit
Gilt die Gleichung Asset Protection = Straftat? Die eindeutige Antwort lautet nein.
Gilt die Gleichung Asset Protection = moralisch verwerflich? Ganz klar: nein.
Ist der Einsatz von Briefkastenfirmen zur Asset Protection illegal oder illegitim? Nein.
Jeder Person ist es selbst überlassen, ihre Vermögensverhältnisse im Rahmen der Gesetze vor den Augen der breiten Öffentlichkeit geheim zu halten. Eine Briefkastenfirma ist ein Instrument hierzu. Eine solche Zweckgesellschaft gewährt keine Anonymität gegenüber den Steuerbehörden und der Finanzaufsicht. Sie schützt nicht vor den Gesetzen gegen Geldwäsche und den berechtigten Ansprüchen von Kindern und Ehepartnern. Deshalb ist weder das Ziel der Asset Protection noch der Einsatz von Briefkastenfirmen per se illegal oder illegitim.
Inga Zillmer ist Rechtsanwältin bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Steuerkanzlei TAXGATE.