Der Gesetzgeber steht Kapitalanlegern seit vielen Jahren kritisch gegenüber und kommt in regelmäßigen Abständen mit Verschärfungen um die Ecke (vgl. zum Beispiel: TXGT-Blog v. 29.01.2020 zur Einschränkung der Abziehbarkeit von Kapitalverlusten und siehe Nr. 2 unten). Die Rechtsprechung hat der Finanzverwaltungspraxis bereits in zahlreichen Fällen einen Riegel vorgeschoben (vgl. zum Beispiel: TXGT-News v. 26.03.2021 zur Steuerpflicht von Bonusaktien, TXGT-News v. TXGT-News v. 08.03.2016 zum Verfall von Optionen).
Doch letzte Woche wurden zwei erfreuliche Nachrichten veröffentlicht, auf die wir aufmerksam machen wollen:
1. BFH hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste für verfassungswidrig
Bereits mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 01.01.2009 hatte der Gesetzgeber zwei Verlustverlustverrechnungstöpfe geschaffen: Aktienverluste (sog. schlechter Verlusttopf) können nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden, während sonstige Verluste (sog. guter Verlusttopf) mit allen Kapitalgewinnen verrechenbar sind. Diese gesonderte Verlustverrechnung wurde damit begründet, „Aktien-Spekulationsgeschäfte zu verhindern, welche zu abstrakt drohenden Haushaltsrisiken führen können“ (vgl. BT-Drs 16/5491, S. 19).
Mit Beschluss vom 17.11.2020 (Az. VIII R 11/18) hat nun das höchste deutsche Finanzgericht dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist, wenn Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden dürfen. Denn nach Überzeugung des Bundesfinanzhofs (BFH) verstößt diese Regelung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Ökonomisch völlig zutreffend, besteht nach Auffassung des Gerichts kein einleuchtender Grund für die gesetzliche Schlechterstellung von Aktienverlusten (Keine Gefahr erheblicher Steuermindereinnahmen aufgrund qualifizierter Haushaltsrisiken; keine Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen etc.).
Steuerpflichtige stehen nun vor der Frage, wie Sie mit dieser Entwicklung umgehen sollten. Der Aktienverlusttopf wird zumindest bei inländischen Kundenverbindungen bei der Depotbank geführt und nicht wie bei ausländischen Kundenverbindungen gesondert festgestellt. Kapitalanleger mit ausländischen Depotbanken und einem Aktienverlusttopf mit sonst positiven Kapitaleinkünften sollten zwingend ihre Steuerveranlagung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts offenhalten und Einspruch gegen Verlustverrechnungsbeschränkung einlegen. Kapitalanleger mit inländischer Depotbank müssen mit ihren Depotbanken erstmal in Kontakt treten und eine gesonderte Verlustbescheinigung iSv. § 43a Absatz 3 Satz 4 EStG beantragen. In diesem Fall können die Aktienverluste auf Depotbankebene nicht mehr genutzt werden, aber im Steuerveranlagungsverfahren berücksichtigt werden.
Kapitalanleger mit inländischer Depotbank sollten im Ergebnis im Einzelfall prüfen, was Ihnen mehr nutzt: der Aktienverlusttopf auf Depotbankebene zur Verrechnung mit künftigen Aktiengewinnen oder den Aktienverlusttopf im Veranlagungsverfahren, um eine Verrechnung mit anderen Kapitalgewinnen zu begehren.
2. Aktuelles BMF-Schreiben (Abgeltungsteuererlass) mit wichtigen Ergänzungen zum Trading und zur neuen Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäftsverluste
Zusätzlich zu der og., wohl verfassungswidrigen, Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienverluste, hat der Gesetzgeber jüngst die Notwendigkeit gesehen, bei bestimmten Kapitalanlagen weitere, erhebliche Verlustverrechnungsbeschränkungen einzuführen, deren Verfassungswidrigkeit sicherlich ebenfalls höchstrichterlich zu überprüfen sein wird. Dies betrifft (i) Verluste aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 5 S. 5 EStG, „Termingeschäftsverluste“) sowie (ii) Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung bzw. aus der Ausbuchung bzw. dem Ausfall oder der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter (§ 20 Abs. 5 S. 6 EStG, „Ausfallverluste“). In beiden Fällen ist die jährliche Verlustverrechnung und auch der Verlustvortrag auf TEUR 20 p.a. betragsmäßig beschränkt. Diese erheblichen Verrechnungsbeschränkungen sorgten für große Besorgnis innerhalb der stark wachsenden Trader-Community und waren Auslöser intensiver Diskussionen betreffend möglicher Anpassungsreaktionen (wie zB. die Nutzung einer sog. Trading GmbHs, Wegzug etc.).
Gegenständlich ist bei den Termingeschäftsverlusten die Verrechnungsmöglichkeit zusätzlich auf Termingeschäftsgewinne/Stillhalterprämien beschränkt, während bei den Ausfallverlusten eine Verrechnung mit sämtlichen Kapitaleinkünften möglich ist. Die mit der Wahl des Anlage- bzw. Tradinginstruments verbundene Frage der Abgrenzung von Termingeschäftsverlusten zu Ausfallverlusten kommt damit in der Praxis große Bedeutung zu. U.a. zu dieser Frage hat die Finanzverwaltung am 03.06.2021 im Rahmen einer Ergänzung der Abgeltungsteuererlasses Stellung genommen. Wesentliche Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
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- Optionsscheine und Zertifikate (zB. Knock-out-Zertifikate, Turbos etc). sind keine Termingeschäfte; ein Totalverlust aus einem derartigen Finanzinstrument qualifiziert daher als Ausfallverlust und nicht als Termingeschäftsverlust;
- CFDs, (unverbriefte) Optionen etc. sind demgegenüber Termingeschäfte, sodass Verluste aus deartigen Instrumenten den verschärften Regelungen für Termingeschäftsverluste unterfallen;
- Von einer Veräußerung eines wertlosen Wirtschaftsguts (und damit vom Entstehen eines verrechnungsbeschränkten Ausfallverlustes) ist regelmäßig auszugehen, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt.
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Zu beachten ist, dass die eingeschränkte Verlustverrechnung für Termingeschäftsverluste und Ausfallverluste nicht auf Ebene der depotführenden Bank erfolgt. D.h. diese Verluste (zB. aus Knock-out-Zertifikaten ab 2021) gehen für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs weder in den allgemeinen Verlusttopf, noch in der Aktienverlusttopf bei der Bank ein. Es gibt für diese Verluste auch keine weiteren, gesonderten Verlustverrechnungstöpfe auf Ebene der Bank. Der Anleger muss die (steuermindernde) Verlustverrechnung im Rahmen seiner Steuererklärung geltend machen, obgleich die Steuer auf korrespondierende Gewinne (zB. Termingeschäftsgewinne aus CFD-Trading) unmittelbar durch die Bank abgeführt wird.
Dr. Thomas Elser und Dr. Tobias Stiegler sind Steuer- und Kapitalmarktexperten bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Steuerkanzlei TAXGATE.