Die Finanzverwaltung hat bisher in Abschnitt 2.3 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) die Qualifizierung als unternehmerische Tätigkeit und damit den Vorsteuerabzug verneint, sofern sich die Tätigkeit einer Gesellschaft auf das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von Beteiligungen erstreckte (reine Finanzholding).

An der gleichen Stelle werden drei Ausnahmen von dieser Grundregel beschrieben. Eine davon ist die sogenannte Führungsholding, welche sich durch die entgeltliche Erbringung von verschiedenen Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften als umsatzsteuerlicher Unternehmer qualifizieren kann.

Dennoch hat ein Hamburger Finanzamt bei der Veranlagung einer Führungsholding deren Vorsteuerabzug versagt, mit der Begründung, diese Leistungen seien nur Hilfsgeschäfte zum eigentlichen Grundgeschäft wie es eine Finanzholding betreibt. Damit fehle es weiterhin an einer wirtschaftlicher Betätigung und die Führungsholding könne dadurch kein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn werden.

Inzwischen wurde diese Frage in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. Juli 2015 wesentlich günstiger entschieden (Rechtssache C-108/14 Larentia&Minerva, sowie C-109/14 Marenave).

Entsprechend hat der Bundesfinanzhof am 19.01.2016 und am 01.06.2016 zwei einander ähnliche Folgeentscheidungen getroffen (BFH vom 1.6.2016 – XI R 17/11), welche für noch strittige Verfahren sowie in der laufenden Praxis von einiger finanzieller Bedeutung sein können.

Kernpunkt der beiden BFH-Entscheidungen ist die nunmehrige umfassende Qualifizierung der Führungsholding als wirtschaftlich tätige Unternehmerin, nicht nur hinsichtlich der Dienstleistungen an Beteiligungsgesellschaften, sondern (neu!) auch betreffend dem Halten der Beteiligungen.

Das Halten von Beteiligungen wird vom BFH nicht mehr als nichtwirtschaftliche Tätigkeit eingestuft, folglich können die Dienstleistungen auch keine Hilfsgeschäfte zu einem nichtwirtschaftlichen Grundgeschäft sein.

Auch wenn die Länder-Referenten für Umsatzsteuer diese beiden BFH-Entscheidungen vorläufig noch nicht anwenden wollen – in der Praxis eröffnet diese Rechtsprechung eine sehr gute Ausgangsbasis für offene Verfahren. Zunächst besteht aber vor allem dringender Handlungsbedarf, bereits bestehende Holding-Strukturen umgehend zu durchleuchten.

Denn in jedem Fall ist gegenüber dem genannten Abschn. 2.3 UStAE die Ausgangslage einer Holding deutlich verbessert und die Chancen für einen umfassenden Vorsteuerabzug sind sehr viel höher geworden.

Rainer Kohler ist Diplom Finanzwirt bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Steuerkanzlei TAXGATE.

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