Während das BMF zu Anwendungsfragen bei Publikumsinvestmentfonds bereits ausführlich Stellung genommen hatte (s. etwa TAXGATE Blog vom 14.06.2017), so ließen weitere Stellungnahmen der Finanzverwaltung zu Spezial-Investmentfonds auf sich warten bzw. wurden einzelne Themen sporadisch aufgegriffen (s. TAXGATE News vom 28.12.2017). Sie sind am 20.01.2021 sehr detailliert und mit einigen klärenden Aussagen zu bekannten Auslegungsfragen veröffentlicht worden (Anwendungsschreiben zum Investmentsteuergesetz in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung (InvStG) vom 20.01.2021, IV C 1 – S 1980-1/19/10008 :011; Änderung des BMF-Schreibens vom 21. Mai 2019). Im Folgenden werden ausgewählte Auslegungsfragen besprochen, die in der Fondspraxis erhöhte Aufmerksamkeit zur Vermeidung gravierender Nachteile verdienen.
Einhaltung der steuerlichen Anlagebedingungen: Zentrale Vorschrift für die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds ist § 26 InvStG. In dieser Norm werden rein steuerliche Anlagebestimmungen und insbesondere ein Katalog der für einen Spezial-Investmentfonds zulässigen Investments aufgelistet. Damit letztendlich verbunden ist die Anwendung der materiell-rechtlichen Besteuerungsfolgen, welche für die weiterhin teilweise privilegierten Investmentvehikel bzw. ihrer Anleger von großer Bedeutung sind (modifiziertes Fondsprivileg für thesaurierte Erträge, Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen; im Einzelnen s. Thiede, Einsatz von Spezial-Investmentfonds als Anlage- und Bündelungsvehikel für Family Offices, in: NWB-EV 7/2020, S. 233 ff).
Grenzverletzungen: Zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ist die permanente Einhaltung und Überwachung der Anlagebestimmungen eine der nicht zu vernachlässigenden Aufgaben des Fondsmanagers, welche idealerweise im Rahmen einer dynamischen Fonds-Compliance durchgeführt wird. Denn gegen die Anlagebestimmen darf kein wesentlicher Verstoß festgestellt werden. Die Rechtsfolge wäre fatal, da der Fonds seinen Spezialstatus verlieren würde mit gravierenden Steuernachteilen nach § 52 InvStG: Der Fonds gilt steuerlich als aufgelöst mit Komplettrealisation der stillen Reserven.
Hier hat der Anwendungserlass die Leitplanken im Sinne einer abgestuften und zweckmäßigen Prüffolge dargelegt und beschreibt ausdrücklich, wann ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen nicht vorliegen soll. Dabei ist kein völlig starres Korsett vorgegeben anhand dessen sich der Fondsmanager zu orientieren hat, sondern es sollen im Rahmen einer Gesamtwürdigung verschiedene Kriterien beachtlich sein:
- Grad des Verschuldens des Verwalters (Absicht „aus Versehen“)
- Zeitdauer des Verstoßes (kurzfristig = wenige Tage über längere Dauer = mehrere Monate)
- Wertmäßiger Umfang des Verstoßes in Relation zum Fondsvermögen
- Umfang der Bemühungen des Verwalters zur Beseitigung des Verstoßes
Klare Ansage des BMF: „Angesichts der einschneidenden Folgen […] ist nur in besonderen Ausnahmefällen als Ultima Ratio von einem wesentlichen Verstoß auszugehen. Im Regelfall ist […] Gelegenheit zur Beseitigung des Verstoßes zu geben.“
Ergänzend sollen auch passive Grenzverletzungen regulär keinen wesentlichen Verstoß gegen die Anlagebestimmungen darstellen, wenn unverzüglich mit zumutbaren Maßnahmen gegengesteuert wird. Bei aktiven Grenzverletzungen wird ebenfalls ein Auge zugedrückt, wenn eine kurzfristige Rückführung erfolgt.
Diese Regelungen geben indes keinen Anlass für eine allzu laxe Handhabung. Vielmehr sollten in der Fonds-Compliance bzw. im Tax Compliance Management System die Anwendungsregelungen des BMF dezidiert umgesetzt, laufend überwacht und dokumentiert werden. Dies ist für das Fondsmanagement schon deshalb unabdingbar, weil steuerstrafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen sind und überdies die Inanspruchnahme für entstandene Schäden durch Anleger zu erwarten sind. Gleichfalls gilt diese Empfehlung für die Einhaltung der vorgeschriebenen Risikomischung, wobei lt. Anwendungsschreiben Nichtbeanstandungsregelungen insbesondere in besonderen Phasen sowie im Rahmen von Umstrukturierungen oä. greifen sollen. Auch hier ist das Schreiben sehr nützlich, quasi als Checkliste für solche Phasen und Ereignisse, um die entsprechende Dokumentation für spätere Fondsbetriebsprüfungen vorzuhalten. Besonderes Augenmerk sollte daher auch auf die Einhaltung der sog. Schmutzgrenze gerichtet werden (Halten von unzulässigen Vermögensgegenständen gem. Anlagebestimmungen von bis zu 10% des Fondsvermögens); im Gegensatz zu den zuvor beschrieben Auslegungen wird hier im Zweifel härter durchgegriffen (Tz. 26.21: Bei bewusster und planmäßiger Investition in unzulässige Vermögensgegenstände oberhalb der 10%-Grenze ist eine Beanstandung unvermeidlich).
Erwerbbarkeit von Private Equity Fonds durch Spezial-Investmentfonds: Die seit geraumer Zeit diskutierte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Alternative Investments, die häufig in Form von gewerblichen, ausländischen Personengesellschaften auftreten, unschädlicherweise in Spezial-Investmentfonds gehalten werden dürfen, ist insbesondere von der konkreten Ausgestaltung des Zielfonds abhängig. Die Einordnung derartiger Fonds als AIF schließt deren Erwerbbarkeit nach Verwaltungsauffassung zB. als Wertpapier, als Kapitalgesellschaft oder als Immobiliengesellschaft nicht aus. Zu begrüßen ist auch, dass die Finanzverwaltung nunmehr zumindest auch den Erwerb von gewerblichen Personengesellschaften im Rahmen der 10%-igen Schmutzgrenze zulässt. Zudem kann bei vermögensverwaltenden und nur gewerblich „geprägten“ Zielfonds im Hinblick auf die Anlagegrenzen auf die vom Zielfonds gehaltenen Investments durchgeschaut werden.
Transparenzoption: Neben der Auslegung des § 26 InvStG nimmt der Anwendungserlass des BMF zu weiteren Rechtsfragen Stellung; insbesondere bestand in der Praxis großer Klärungsbedarf im Zusammenhang mit der Transparenzoption nach § 30 InvStG (s. Thiede, aaO. S. 235). Wie zu erwarten, hat das BMF bestätigt, dass eine ausgeübte Transparenzoption einheitlich für alle Anleger des Fonds zu erfolgen hat (Tz. 30.6) und nicht widerrufen werden kann (Ausnahme in Tz. 30.4: Nicht zu beanstanden für ausgeübte Optionen vor dem 20.01.2021 für das nach dem 31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr).
Weitere Klarstellungen betreffen ua.
- eingeschränkte Anwendung der § 8b KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG, speziell bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen sowie bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen,
- mehrstufige Fondsstrukturen
- ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge
- Berechnungsbeispiele zum Steuerabzug etc.
Insgesamt ist das Anwendungsschreiben eine umfassende und teilweise sehr detaillierte Arbeitshilfe zur Umsetzung des InvStG und schafft in einigen Bereichen deutlich mehr Rechtssicherheit sowohl für die zentrale Qualifikationsnorm des § 26 InvStG als auch für die laufende buchhalterische und bilanzielle Abbildung komplexer Investmentstrategien institutioneller Anleger.
Es liegt in der Natur der Sache, dass bestimmte Fragen weiterhin unbeantwortet erscheinen und dementsprechende Rechtsfortbildung nicht abgeschlossen sein kann; denn auch im Anwendungsschreiben tauchen unbestimmte Begriffe auf (zB. die Frage nach der Zumutbarkeit zur Beseitigung von passiven Grenzverletzungen). Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten scheint das BMF beim InvStG nicht zu verschärfenden Auslegungen zu neigen und das Bemühen um einen verständnisvollen Umgang zwischen Anleger und Finanzverwaltung ist neben der Umsetzung anhand der gesamten Steuersystematik auch im Hinblick auf politisch gewollte Aufwertung des Fondsstandorts Deutschland sehr zu begrüßen.
Das TAXGATE Investment Team besteht aus erfahrenen Experten, die Sie sowohl bei anspruchsvollen Strukturierungen als auch ergänzend für weitere Auslegungsfragen zu einzelnen rechtlichen und steuerlichen Einzelthemen mit ihrer Fokussierung auf institutionelle Anleger unterstützen.