Erbschaftsteuerliche Begünstigung für Wohnungsunternehmen praktisch nur noch mit verbindlicher Auskunft umsetzbar aufgrund restriktiver Rechtsprechung (FG Münster v. 10.10.2024)
Das FG Münster stellt in seinem Urteil vom 10.10.2024 (Az. 3 K 751/22) äußerst strenge Anforderungen an die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen eines erbschaftsteuerlich begünstigten Wohnungsunternehmens.
Hintergrund
Grundsätzlich ist unternehmerisches Vermögen in der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter bestimmten Bedingungen begünstigt. Dritten zur Nutzung überlassene Immobilien sind dabei als sog. Verwaltungsvermögen erbschaftsteuerlich nicht begünstigt. Eine Ausnahme bilden sog. Wohnungsunternehmen, deren Immobilien kein Verwaltungsvermögen darstellen. Für den Wohnungsunternehmensstatus wird gesetzlich vorausgesetzt, dass der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. d ErbStG). Auf diese Weise können umfangreiche Immobilienbestände steuerbegünstigt auf die nächste Generation übertragen werden.
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung unterstellt bei Überschreiten der 300-Objekt-Grenze, also bei einem Wohnungsbestand von mehr als 300 eigenen Objekten, dass für die Vermietung der Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird und daher ein Wohnungsunternehmen vorliegen kann (R E 13b.17 Abs. 3 S. 2 ErbStR).
Urteil des BFH aus 2017
Mit Urteil vom 24.10.2017 (Az. II R 44/15) stellte der BFH eigene Kriterien ein begünstigtes Wohnungsvermietungsunternehmen auf. Danach gehören Wohnungen, die eine Wohnungsvermietungsgesellschaft an Dritte zur Nutzung überlässt, nur zum begünstigten Vermögen, wenn die Gesellschaft neben der Vermietung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Unterschied zur reinen Vermietungstätigkeit als private Vermögensverwaltung Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten. Auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen kommt es danach nicht an.
Die Finanzverwaltung hat dieses Urteil mit einem sog. Nichtanwendungserlass versehen, wendet es also über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an.
Sachverhalt und Urteil FG Münster vom 10.10.2024
Das FG Münster stellt in seinem Urteil vom 10.10.2024 (Az. 3 K 751/22) äußerst strenge Anforderungen an die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs mit dem Hauptzweck der Vermietung eigener Wohnungen. Trotz erheblicher gewerblicher Zusatzleistungen sei kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen. Auf die Anzahl der Wohnungen komme es zudem auch nach der Rechtsprechung des BFH aus 2017 nicht an (ausschließlich qualitative Sichtweise).
Im Urteilssachverhalt wurden Anteile an einer Besitz GmbH & Co. KG übertragen, die umfangreichen Grundbesitz hält, den sie an Dritte zu Wohnzwecken vermietet. Die Gesellschaft erzielte in ertragsteuerlicher Hinsicht originär gewerbliche Einkünfte, da sie neben der Überlassung von Wohnraum nachfolgende gewerbliche Sonderleistungen erbrachte:
- Lieferung von selbst produzierter oder eingekaufter Energie (inkl. Zurverfügungstellung der Hausanschlüsse)
- Zurverfügungstellung von SAT-Anlagen, Antennen oder Internetverbindungen
- Unterhaltung des Hausmeisterdienstes, die Pflege der Grünanlagen und die Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten sowie die regelmäßige Kontrolle der zB in Brennpunktbereichen gelegenen Immobilien.
- Angebot von Handwerkerleistungen auf Anforderung und Rechnung des Vermieters
- Mitvermietung von Küchen, Küchenzeilen oder sonstigem Mobiliar und die Bereithaltung eines damit in Zusammenhang stehenden Ersatzteillagers
Das Finanzamt hat insb. aufgrund des wohl knappen Unterschreitens der 300-Objekt-Grenze (quantitativ) und nicht ausreichender Sonderleistungen (qualitativ) das Vorhandenseins eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verneint und daher die Wohnungen als (schädliches) Verwaltungsvermögen berücksichtigt.
Das FG Münster hat dem Finanzamt zugestimmt und aus qualitativen Gründen ein Wohnungsunternehmen verneint.
Bewertung
Für die Praxis bedeutet die einschränkende Auslegung des Wohnungsunternehmensstatus durch die Rechtsprechung, dass derzeit Wohnungsunternehmen nur noch mit verbindlicher Auskunft begünstigt übertragen werden sollten. Bei mehr als 300 eigenen Wohnungen müsste die Finanzverwaltung aufgrund ihrer Richtlinien nach wie vor zur Erteilung einer positiven verbindlichen Auskunft gezwungen sein. Bei weniger als 300 eigenen Wohnungen müssten die Chancen einer verbindlichen Auskunft im Einzelfall abgewogen werden.
Im weiteren Verlauf bleibt die Revision vor dem BFH (Az. II R 39/24) und die Reaktion der Finanzverwaltung darauf abzuwarten. Eine einschränkende Anwendung der Rechtsprechung sowie eine Klarstellung der eigenen Rechtsauffassung durch die Finanzverwaltung wäre wünschenswert.
Letztlich bleibt die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Wohnimmobilien(-Unternehmen) ein aufwendiges und risikobehaftetes Unterfangen, daher gewinnen Investitionen in andere rechtssicher begünstige Vermögenskategorien für Anleger mit dem Ziel der Erbschaftsteueroptimierung derzeit weiter an Attraktivität.
Ihr TAXGATE Team unterstützt vermögende Privatpersonen und Familienunternehmen bei der bei komplexen steuerlichen Fragen und vertritt ihre Interessen gegenüber der Finanzverwaltung. RA/StB Markus Schenk und StB Stephan Scheffold betreuen diverse Fälle der Unternehmens- bzw. Vermögensnachfolge bei der auf Transaktionen, Investments und Tax Compliance spezialisierten Steuerkanzlei TAXGATE.